Vorwürfe gegen „Komitee für Menschenrechte“

■ Ghanaer behauptet, daß Joel B. nicht Opfer einer polizeilichen Scheinhinrichtung war

Lange hat Anthony Rau, der das mutmaßliche Scheinhinrichtungsopfer Joel Boateng ausfindig machte, geschwiegen: „Ich stand unter Druck und konnte nicht die Wahrheit sagen“, behauptet der Ghanaer. Gestern packte er aus, „obwohl ich damit der ganzen Sache schade“. Denn Rau, der nach wie vor sicher ist, „daß es in Hamburg Scheinhinrichtungen an Schwarzen gegeben hat“, glaubt inzwischen: „Joel ist das nicht passiert.“

Doch das „Komitee für Menschenrechte“, das den Fall öffentlich machte und dem auch Rau lange angehörte, würde „systematisch Aussagen und Fakten zurückhalten“, die der Glaubwürdigkeit Boatengs schaden könnten. Dem Komitee-Mitglied Michael Herrmann wirft Rau vor, die Scheinhinrichtungsvorwürfe auszunutzen, um „seinen privaten Polit-Poker mit der Polizei“ zu spielen.

Nach eigenen Angaben recherchierte Rau, nachdem er Boateng ausfindig gemacht hatte, lange in dessen Umfeld, um weitere Beweise und Zeugen für die behauptete Scheinhinrichtung zu finden. Doch im Rahmen seiner „Ermittlungen“ will Rau „auf Widersprüche“ gestoßen sein. So habe ihm Boatengs Freundin mitgeteilt, sie habe von der angeblichen Scheinhinrichtung ihres Lebensgefährten erst aus der Zeitung erfahren.

Ein Ghanaer, von dem Boateng angeblich eine Platzwunde versorgen ließ, die ihm im Laufe der behaupteten Mißhandlung zugefügt worden sein soll, bestreitet, überhaupt etwas von der Verletzung bemerkt zu haben. Während Boateng einem Freund schon im Februar 1995 von der polizeilichen Scheinhinrichtung im Freihafen berichtet haben soll, erinnert er sich gleichzeitig an den Namen von zwei Schiffen, die er zur Tatzeit gesehen haben will. Die aber lagen erst am 29. März im Hamburger Hafen. Rau: „Es gibt Widersprüche, die Joel mir nicht erklären kann.“

Weil das „Komitee“ in Person von Michael Herrmann zu verhindern versucht habe, daß seine „Ermittlungen“ öffentlich wurden, habe er der Organisation Anfang Januar den Rücken gekehrt. Michael Herrmann hingegen betont, daß das „Komitee immer in beide Richtungen ermittelt“ habe. Rau hätte einen Teil der von ihm behaupteten Widersprüche dem Komitee mitgeteilt, diese aber nicht ausreichend belegen können. Herrmann: „Es gibt in diesem Fall hunderte von Gerüchten und Vermutungen – wir aber haben immer nur versucht, Fakten in die Öffentlichkeit zu tragen.“

Für den Fernseh-Journalisten Oliver Neß, der die Vorwürfe Boatengs in einem Bericht des TV-Magazins „Panorama“ an die Öffentlichkeit brachte, verfügt Anthony Rau über „wenig Glaubwürdigkeit“. Neß: „Anthony Rau hat schon am Anfang widersprüchliche Aussagen darüber gemacht, wann er Joel Boateng kennengelernt und wann ihm dieser über die Scheinhinrichtung berichtet hat“.

Marco Carini