: Oase der Freiheit
■ Das Bader-Ehnert-Kommando zeigt auf Kampnagel das Stück „Türsteher“ über Jungnazis und Laberdeutsche
Einen Vertrag als Türsteher mit Selektionsberechtigung – Ingo, der Jungnazi, weiß, was er will. Manfred, Disco-Geschäftsführer, weiß nur: Er will Kohle machen und von seinem Boß nicht gefeuert werden, über alles andere läßt sich reden. Daß Ingo sich am Eröffnungstag während der letzten Vorbereitungen zur Disco-Einweihung als Altmieter mit gültigem Vertrag zu erkennen gibt, macht Manfred fertig. Ein Arbeitsvertrag für Ingo als Türsteher samt Anerkennung seiner Bedingungen – keine Türken, keine Neger, keine Schwulen – ist das kleinere Übel.
Türsteher, das neueste Stück des Bader-Ehnert-Kommandos, greift nicht den platten, von allen erkennbaren und verpönten Rechtsextremismus auf, sondern jene sublimen Alltäglichkeiten, die gerade in den Köpfen vieler „normaler“ Menschen wiederzufinden sind. Kristian Bader stellt den Geschäftsführer Manfred mitunter etwas überzogen dar, als Dauer-Handy-User mit leichten Verbeugungen beim Telefonat mit dem Chef und nur einer Idee im Kopf: Seine Disco soll eine „Oase der Freiheit in einer ungerechten Welt“ sein.
Gut sind die Vorblenden auf die Disco-Eröffnung am Abend, in denen sich zeigt, daß Manfreds Russenfeindlichkeit von der vergewaltigten Oma abstammt und „nur so 'ne Redensart“ ist – halt alles nicht so ernst gemeint. Glaubhaft auch, daß Manfred nichts wichtig ist außer seinem Job und Spaß an der Freud, und so hat er in seiner bekannt liberal-geschwätzigen Art Ingo nichts entgegenzusetzen.
Michael Ehnert als Ingo ist kein großkotziger, glatzköpfiger Jungnazi, sondern ein Junge, der auf alle Fragen und Probleme eine Antwort hat oder finden wird. Verhaltene Aggressivität, Angst und der Wille, sich nicht unterkriegen zu lassen, sind fast greifbar. Eingebürgerte Vorurteile – „Wenn du Stoff willst gehste wohin? Natürlich, zu 'nem Türken“ – werden nicht aufgesagt, sondern dargestellt. Die ganze Sicherheit eines abgeklärten Underdogs ist spürbar. Ingos Lösung für alle Probleme lautet folglich nicht Auseinandersetzung oder Differenzierung, sondern Verallgemeinerung und Eliminierung. Ohne Schwule kein Sex aufm Klo, ohne Neger kein Angegrapsche, ohne Türken keine Junkieszene.
Das Stück Türsteher hält nichts von liberaler Betulichkeit. Es zeigt: keine Meinung zu haben ist die Grundlage, um von rechtsextremen Idealen eingewickelt zu werden. Unter der Regie von Catharina Fleckenstein bearbeitet die Aufführung mit minimaler Bühnenausstattung und echtem Sprachwitz ein brisantes Thema. „Toleranz, Liberalität ist wie Cola light“, das BEK ist Cola pur: koffeinhaltig und sprudelnd. Heike Schulte
K1, nächste Vorstellungen: heute 20 Uhr, Fr–So 21 Uhr
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