■ Kommentar
: Diagnose: Inkompetenz

Intrige gegen einen hochqualifizierten Arzt? Böswilliger Rausschmiß eines Unbequemen? Oder ebenso notwendige wie konsequente Entscheidung einer Behörde, die mit dem Kündigungsschreiben ein Zeichen setzt gegen chefärztliche Selbstherrlichkeit? Gutachten hin, Stellungnahmen her, festzuhalten bleibt:

1. Manfred Dietrich hat Menschen ohne ihr Wissen in eine Arzneimittelstudie einbezogen. Dies bestreitet niemand, nicht einmal die Ärztekammer, die sich ansonsten bedingungslos vor Dietrich gestellt hat. Die Kündigung mag rechtlich anfechtbar sein oder nicht – daß ein Arzt das Vertrauen der Menschen mißbraucht, wenn er sie zu Versuchskarnickeln macht, steht außer Frage. Dietrich mußte deshalb seinen Platz räumen. Besser, er hätte es freiwillig getan.

2. Wer, wie Dietrichs Chefarzt-Kollege und CDU-Gesundheitsexperte Sieghard-Carsten Kampf, diesen Sachverhalt zu einer „Formalie“ herunterspielt, die im Tropeninstitut leider, leider nicht beachtet worden sei, macht sich als Politiker genauso unglaubwürdig wie als Arzt.

4. Völlig unverständlich bleibt, warum die Hamburger Ärztekammer einerseits urteilt, daß Dietrich das Einverständnis der an der Studie beteiligten Patienten hätte einholen müssen, die Kündigung andererseits als nicht nachvollziehbar bezeichnet. Ein bemerkenswertes Verständnis ärztlicher Sorgfaltspflicht.

5. Um nicht vom eigenen Berufsstand abzulenken: Ausgerechnet der noch immer hochgeschätzte Spiegel schlägt für Dietrich, Kampf und Ärztekammer eine Bresche, ortet ein „Intrigenspiel der Sonderklasse“, ohne auch nur ein Wort über die Menschenversuche zu verlieren. Und führt ausgerechnet Rolf Bialas als Kronzeugen an. Jenen Ex-Ärztekammerpräsidenten, der heftigst dazu beigetragen hatte, die Todesfälle im Tropeninstitut zu vertuschen. Bialas war deswegen im Dezember aus seinem Amt gekippt worden.

6. Die Gesundheitsbehörde hat in den vergangenen Monaten eine unglückliche Figur gemacht. Angefangen bei der überstürzt einberufenen Pressekonferenz im November, bei der die verantwortliche Senatorin einen wenig sachkundigen Eindruck hinterließ. Bei der sie darüber hinaus die Kritik des Eichenlaub-Gutachtens an ihrer Behörde sorgsam umschiffte. Statt dessen betonte Fischer-Menzel den zweiten – aus heutiger Sicht nicht sonderlich beweisfesten – Vorwurf gegen Dietrich, nach dem der Arzt Patienten zu spät auf eine Intensivstation verlegt habe. Darüber aber läßt sich offensichtlich unter Medizinern trefflich diskutieren.

7. Erst diese (Vor-)Verurteilung Dietrichs läßt die Behörde unglaubwürdig erscheinen – nun aber hinsichtlich des gesamten Komplexes.

Und noch was: Wenn man sich umhört in diesen Tagen in der BAGS oder deren parteipolitischem Umfeld, drängt sich der Verdacht auf, daß es dringend Zeit ist für ein Personal-Revirement in der Behördenspitze. Es müffelt arg nach Inkompetenz.

Uli Exner