piwik no script img

Ökomarkt und D-Mark

Während in Kreuzberg die Koexistenz zwischen Bioläden und Ökomarkt funktioniert, herscht im Wedding kalter Krieg  ■ Von Ursula Dohme

Konkurrenz belebt nicht immer das Geschäft. Diese Erfahrung machte Rüdiger Lampe, Inhaber von Va beene, einem Naturkostladen in der Nähe des Weddinger Leopoldplatzes.

Seit sechs Jahren steht einmal in der Woche der Ökomarkt auf dem Leopoldplatz – damit konnte Rüdiger Lampe gut leben. Doch seit einem Jahr findet der Markt dienstags und freitags statt. Damit wird er zur existenzbedrohenden Konkurrenz, nicht nur für Va beene, auch für Tao, einen anderen Naturkostladen in der Nähe. An den Markttagen habe er Umsatzeinbußen von über 35 Prozent, bei Obst und Gemüse seien es sogar bis zu 50 Prozent, klagt Lampe. Eine festangestellte Mitarbeiterin mußte er schon entlassen. Jetzt arbeitet er mit Studenten, die mal für ein paar Stunden aushelfen. Bei Tao sieht es ähnlich aus.

Der eigentlich nicht besonders große Markt mit seinen zwölf Ständen und drei Verkaufswagen sollte ursprünglich Öko-Bauern aus dem Brandenburger Umland den Verkauf ihrer Produkte ermöglichen. Erste Kontakte stellte eine kirchliche Ökogruppe her. Die Weddinger Superintendentin Erika Godel fand die Idee unterstützenswert und stellte den Leopoldplatz als Marktplatz zur Verfügung, direkt am Kreuzungspunkt zweier U- Bahn-Linien gelegen. Der Leopoldplatz ist eigentlich der große Vorhof der Nazareth-Kirche; Grund und Boden gehören der evangelischen Kirche. Die Gemeinde erhebt auch nur 6 Mark Standgebühren zuzüglich 20 Mark Aufbaugebühren – die Standgebühren auf dem Ökomarkt am Chamissoplatz in Kreuzberg betragen beispielsweise bis zu 60 Mark. Durch dieses Entgegenkommen wolle man die Anbieter unterstützen. „Wir wollen ja keine kommerzielle Nutzung“, sagt Erika Godel. Bewußt habe sie sich für den Ökomarkt zweimal in der Woche entschieden, sonst hätte sie sich verpflichtet gefühlt, dem Drängen des Bezirksamtes nachgeben zu müssen, den Platz für einen konventionellen Wochenmarkt zur Verfügung zu stellen.

Auf dem Leopoldplatz ist mittlerweile auch die Neuköllner Großbäckerei Märkisches Landbrot vertreten. Außerdem wird auf dem Markt inzwischen ein Teil des regulären Bioladen-Sortiments angeboten. Renate Fiebig, für die Marktbetreuung zuständig, betont hingegen, daß es weder Alkoholika noch Seifen oder sonstige Waschartikel gibt, also genug Spielraum für Ökoläden bleibe, die bereit wären, sich zu spezialisieren. Eine Studie habe ergeben, daß der Verbraucherbedarf längst nicht gedeckt sei.

Den Vorschlag der Superintendentur, sich mit einem Stand am Markt zu beteiligen, hält Lampe nach anfänglichen Versuchen für nicht sinnvoll: „Damit mache ich meinem eigenen Laden noch mehr Konkurrenz und muß zusätzlich den Marktverkäufer bezahlen.“

Große Gewinne würden mit Ökoprodukten ohnehin nicht erzielt – die Herstellungskosten seien sehr hoch, klagen die Inhaber der Naturkostläden. Doch während das Nebeneinander im Wedding zu verschärfter Konkurrenz führt, bietet sich in Kreuzberg ein anderes Bild: Der samstägliche Ökomarkt am Chamissoplatz wird von den umliegenden Naturkostläden trotz leichter Umsatzeinbußen sogar ausdrücklich begrüßt: das gemeinsame Ziel sei ja, Öko-Produkte attraktiv zu machen und die Möglichkeit für eine gesunde Ernährung zu bieten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen