Fünf Kilo Reflex

■ GAL bezweifelt „unbeabsichtigten“ Polizeischuß auf einen Rumänen

Über fünf Kilo Kraft aufzuwenden, um den Abzugswiderstand einer Polizei-Dienstwaffe zu überwinden – das kann kein Reflex sein, findet der Polizeihauptkommissar und GAL-Abgeordnete Manfred Mahr. Und zweifelt damit an, daß der Rumäne Petru I. im vergangenen August „unbeabsichtigt“ von der Polizei angeschossen wurde.

Mahr beruft sich dabei auf ein Frankfurter Gericht, das einen Polizisten vor einem Monat verurteilte, weil er einen flüchtenden Einbrecher erschoß. Das Gericht hatte die Auffassung eines Gutachters geteilt, der für das Abfeuern einer geladenen und entspannten Dienstwaffe nicht einen Reflex, sondern das Hirn verantwortlich machte. So ein Kraftaufwand könne nur willentlich gesteuert sein.

In einer ersten Antwort auf eine Anfrage Mahrs sicherte sich der Hamburger Senat doppelt ab: Der Schuß sei „unbeabsichtigt“ gefallen, und außerdem sei es ohnehin Notwehr gewesen. Der Rumäne hätte Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet. Petru I. wurde nach Krankenhaus- und Gefängnisaufenthalt im Januar abgeschoben. An PolizistInnen würden „hinsichtlich der Wahl der Notwehrmittel höchstmögliche Anforderungen“ gestellt, beschied der Senat den GALier.

Der wundert sich: „Wie kann es dazu kommen, wenn doch nach Vorschriftenlage der Polizeibeamte den Zeigefinger gestreckt neben dem Abzug und nicht in den Abzug legen soll?“ begehrt Mahr in einer weiteren Anfrage zu wissen. Entweder war die Waffe vorgespannt, als der Beamte auf Petru I. schoß; das wäre rechtswidrig und müßte ein Disziplinarverfahren nach sich ziehen. Oder die Waffe war nicht vorgespannt, dann sind über fünf Kilo Kraft notwendig, also kein Reflex. Doch das Ermittlungsverfahren gegen den Beamten wurde eingestellt, ohne daß offenbar der Zustand der Waffe geklärt wurde.

Außerdem: Obgleich im Hamburger Polizeidienst nur relativ selten geschossen und noch seltener getroffen wird und „unbeabsichtigter“ Schußwaffengebrauch nur vier bis sechs Mal im Jahr vorkommt, vermag die Innenbehörde in dem Fall Petru I. kein „spektakuläres Ereignis“ zu sehen. Und machte den Vorfall deshalb nicht öffentlich.

Ein Mensch sei verletzt, ja, hätte sogar getötet werden können, will die GAL die senatorische Auslegung der Spektakularität so recht nicht teilen. Schließlich würde Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) nicht müde, die „Transparenz“ polizeilicher Arbeit hervorzuheben. Silke Mertins