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Spielplatz-Räuber

■ 20.000 Mark geklaut und wieder verloren

Nach lautstarken Auseinandersetzungen im Gerichtssaal wurden gestern zwei Jugendliche aus Gröpelingen wegen gemeinschaftlicher räuberischer Erpressung zu zwölf Tagen sozialer Arbeit verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte ihnen zur Last gelegt, im letzten Frühjahr auf einem Spielplatz in Gröpelingen einen 13jährigen Jungen um 10.000 Mark erleichtert zu haben.

Woher der Knirps die Tausender hatte? Dem 13jährigen Kadir B. (alle Namen geändert) war zu Ohren gekommen, daß der Vater seines Freundes, der Wirt der Gröpelinger Kneipe Ivans Bierfaß, 20.000 Mark in einem Versteck im Sofa aufbewahre. Aus dem Rucksack seines Freundes besorgte er sich vorübergehend den Wohnungsschlüssel und leerte gemeinsam mit einem anderen Freund das Versteck.

Doch der große Fang sprach sich in Gröpelingen schnell herum und kam auch den Brüdern Cemil und Mehmet W. zu Ohren. Als sie dem 13jährigen und seinem Freund auf dem Spielplatz begegneten, wurde das zunächst freundschaftliche Treffen zunehmend unangenehm. Mehmet, zur Tatzeit 18 Jahre alt, drohte dem inzwischen durch den verursachten Aufruhr bereits erheblich eingeschüchterten Kadir: „Wenn Du mir kein Geld gibst, kriegst Du Ärger.“ So jedenfalls erinnerten sich die Beteiligten gestern vor dem Bremer Schöffengericht.

Am folgenden Tag brachte Kadir dann Mehmet seine Beute. Cemil bekam einen Anteil von Mehmet, und selbst das Opfer Kamir bat Mehmet um Geld. Mit dem Rest beglich Mehmet Schulden, bezahlte seinen Führerschein, kaufte Klamotten und „hatte Fun“, so Mehmet. Die Behauptung von Zeugen, daß er auch im Puff gewesen wäre, bestreitet Mehmet vor Gericht jedoch heftig: „Das habe ich nicht nötig.“

Kadir, selber strafunmündig und deshalb für den Diebstahl der 20.000 Mark nicht zu belangen, trat gestern nur als Zeuge auf. Im Gegensatz zu den selbstbewußten, zuweilen frechen Angeklagten machte er einen verängstigten, verschüchterten Eindruck. Seine Antworten kamen leise und zögerlich. Für Staatsanwalt Hampf lag daher die Vermutung nahe, die Angeklagten würden Kadir bis heute einschüchtern und bedrohen.

Und so würdigte Hampf den in den wichtigsten Punkten unstrittigen Sachverhalt denn auch als besonders gestrenger Hüter der Rechtsordnung: „Gib– mir mal –ne Zigarette, sonst box–ich Dich“ – dies sei eine für Jugendliche typische räuberische Erpressung. In den Taten der Angeklagten sah der Staatsanwalt dagegen Parallelen zu aktuellen Diskussionen. „In Deutschland darf man nicht mit Gewalt vorgehen. Das sieht man doch auch auf den PKK-Demos der Türken,“ erklärte er den in Bremen geborenen türkischen – und nicht kurdischen – Jugendlichen. Die deutsche Rechtsordnung lasse „solch massive Gewalt anderer Kulturkreise“ nicht zu. Deshalb sein Plädoyer für das Urteil: Ein Jahr Jugendstrafe auf Bewährung.

Anwalt Armin von Döllen zeigte sich „erschüttert“, Staatsanwalt Hampf wolle er „nicht unterstellen, daß er zu seinem Vergleich käme, weil die Angeklagten auch Ausländer sind“. Richter Fischer kam mit seinen SchöffInnen zu einem deutlich anderen Ergebnis als die Anklage: Zwölf Tage Arbeit, weil die Tat schon über ein Jahr zurückliegt, sowie massive Warnungen an Mehmet und Celim für die Zukunft. Dafür hat Celim eigene Pläne: Mit Hip-Hop will er berühmt werden. „Dafür übe ich jeden Tag“, versicherte er. kb

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