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Von Korruption und Diktatur

■ Hinter dem zähen Streit um das Bürgermeisteramt von Zagreb stehen handfeste wirtschaftliche Interessen

Zagreb (taz) – Der Streit zwischen dem kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman und dem Oppositionsbündnis in Zagreb hat sich erneut zugespitzt. Tudjman lehnte es gestern ab, den dritten Kandidaten der vereinigten Opposition für das Amt des Bürgermeisters der Hauptstadt Zagreb zu bestätigen. Indem er die demokratischen Prozeduren unterlaufe, versuche Tudjman „die Macht seiner Partei in der kroatischen Hauptstadt zu sichern“, erklärte der Chef des Oppositionsbündnisses, der Sozialdemokrat Zdravko Tomać gegenüber der taz. „In Zagreb steht die Demokratie in Kroatien auf dem Spiel“, warnten andere Oppositionspolitiker.

Schon kurz nach den Wahlen im Herbst 1995 hatte der Kampf um das Bürgermeisteramt in Zagreb begonnen. Das aus sieben Parteien bestehende Oppositionsbündnis unter Führung der kroatischen Sozialdemokraten hatte in der Hauptstadt über 60 Prozent der Stimmen erhalten, die bisher regierende Partei HDZ dagegen nur ein Drittel. Dieses Ergebnis überraschte damals um so mehr, als der Präsident sich persönlich als Spitzenkandidat seiner Partei für diese Gemeindewahlen präsentiert hatte. Weniger überraschend war jedoch, daß Tudjman sogleich die Wahl eines Bürgermeisters aus den Reihen der Opposition zu verhindern suchte. Nach der Verfassung hat er das Recht, den vom Stadtparlament gewählten Bürgermeister abzulehnen. Und das tat er bisher dreimal.

Doch auch Tudjmans Gegenvorschläge fanden keine Mehrheit. Seine von ihm vor zwei Wochen auf den Schild gehobene Kandidatin Marina Matulovic-Dropulic wurde vom Stadtparlament abgelehnt. In einer in Zagreb veröffentlichten Erklärung von Tudjman hieß es gestern jedoch, Frau Matulovic-Dropulic bleibe im Amt.

Tudjman steht mit der Demokratie auf Kriegsfuß

Da die HDZ stärkste Fraktion im Stadtparlament sei, habe sie das Recht, den Bürgermeister der Hauptstadt zu stellen.

„In der Demokratie soll die Mehrheit entscheiden“, hält der Oppositionsführer Zdravko Tomac dagegen. Das Oppositionsbündnis habe sich als konstruktiver Faktor erwiesen. Am Montag hatte Tomać im Namen der Opposition in einem Brief um die Aufnahme Kroatiens in den Europarat gebeten. Nicht zuletzt dank dieser Intervention wurde die Kritik an Tudjmans diktatorischem Regierungsstil und an der undemokratischen Pressepolitik seiner Regierung vom Europarat zurückgestellt. Kroatien wird nun in das Gremium aufgenommen werden.

Die Gegenleistung Tudjmans ist jedoch ausgeblieben. Er setzt weiterhin auf Konfrontation. Und wahrscheinlich muß er dies sogar tun. Denn verlöre die regierende HDZ dort die Macht, wäre sie auch im gesamten Land in Frage gestellt. Ein Bürgermeister der Opposition könnte eine Revision der gesamten von der vorhergehenden Stadtregierung getätigten Verträge über die Privatisierung des Volkseigentums erlassen, fürchtet die Elite der Regierungspartei. Denn daß es bei diesen Geschäften oftmals nicht mit rechten Dingen zuging, wird selbst von HDZ- Mitgliedern zugegeben. Um dies zu verhindern, scheut sich die Propaganda der Regierungspartei nicht, die Opposition zu Kollaborateuren mit dem Feinde zu erklären. „Der kroatische Staat wird zum Eigentum der herrschenden Partei gemacht“, meint der Verleger Nenad Popović.

Tomać, Mitglied der Allparteienregierung im Jahre 1992, beklagt die Knebelung der Presse in Kroatien. Die staatlich kontrollierten kroatischen Medien, vor allem das Fernsehen, würden die Stellungnahmen der Opposition unterschlagen. Ob Tudjman Neuwahlen anstrebt oder versucht, einen Gouverneur für Zagreb zu bestellen, steht noch dahin. Erich Rathfelder

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