Männerfilm mit Gretel-Ornament

■ Von jugendlichen Edelbohemiens und sinnstiftenden Ost-Musen: „Der Mörder und die Hure“ (Sa., 20.15 Uhr, ZDF)

Ganz selten mal gelingt es den Haudegen der Zunft, die üblichen Klischees vom verletzten Mann und der verletzten Frau derart ins Nebulöse zu tauchen, daß sie sich zu eigenartigen Schemen wandeln, die einen fast schon wieder zart berühren können.

Im Krimi von Regisseur Michael Lähn und Autor Hartmann Schmige, ist der Mörder ein junger Bohemien der Edelsorte und die Hure eine katholische Jungpolin, die an das Gute der Berliner glaubt und deswegen viel Sex machen muß. Natürlich will der jugendliche Retter des Abendlandes das verhindern. Kaum daß er sich vor seiner Mutter dafür schämt, daß er sein Jurastudium mit der Promotion über „Das Recht auf Utopie“ abgebrochen hat, um im Zockermilieu die üblichen Schulden zu machen – schon bricht er mit einer Schieberbande nach Polen durch, lernt dabei die busige Sonja kennen und verliebt sich sehr.

Rumms! macht die Montage, und der Philosoph trifft seine blonde Utopie in einem Berliner Edelbordell wieder. Sie gehört jetzt einem Bösewicht. Jetzt muß der Idealist erst einen ganz miesen Sexzwerg und seine an Ketten gelegte Jugoslawin (Achtung: Allegorie!) morden, um seine Liebe freizukaufen. Aber dann überfällt ihn das schlechte Gewissen, hinterrücks, und macht ihn schwitzen des Nachts. Und auch sie, die Sonja, bemerkt, daß er, der Roman, nur an der Stirn feucht wird: „Bin ich dir vielleicht zu dumm?“

Ein böser Film, der das Böse zeigen will, sich zu gottfernen Dialogen hinreißen läßt – um dann daran tüchtig zu leiden. Der Regisseur umgeht geschickt den archaischen Metaphernschwung des Drehbuchs, das mit Drehorten nur so um sich wirft. Er filmt der melancholischen Ästhetik eines Low- budget-Films hinterher.

Auch Sebastian Koch gelingt es, seiner Rolle des Romantikers einen ziemlich eindrücklichen Jung- Dostojewski abzugewinnen. Und wie er so nett auf der Pressekonferenz sagte, durfte er bislang noch nie „so groß“ sterben. Katja Studt, die die gute Polin geben mußte, tut sich nicht ganz so leicht, die sinnstiftende Ost-Muse für den altdeutschen Räuber-Mann zu spielen. Das ist auch höllisch schwer. Zumal, wenn man nur als ein Gretel-Ornament im Männerfilm eingeplant ist – und immer nur transzendent lächeln oder kotzen darf.

Aber doch: Der Film hat was Poetisches in seiner klagenden Wirrnis und seinen altbackenen Phantasien. Ich komm nur nicht so recht dahinter, weil, irgendwas halt ... Marcus Hertneck