Vertan, verspielt, verzaubert

■ Hamburger Tanzproduktionen präsentieren sich bei der „Tanzwerft“ auf Kampnagel

Vor Jahren kämpften Hamburgs freie Tänzer um ein gemeinsames Tanzhaus. Aus dem Projekt wurde leider nur die kleine Tanzwerft mit zwei Probenräumen, aber ohne Bühne. Deshalb dürfen sie nun zweimal im Jahr ihre Arbeiten auf Kampnagel zeigen.

Den Anfang der Tanzwerft-Reihe machten am Wochenende Victoria Hauke und Jan Pusch. Leider bewegte sich die gut ausgebildete Tänzerin Victoria Hauke in ihrem Solo N.O.C.H. nicht in ihrem gewählten Thema „Wasser“, sondern in unklaren Gefilden. Ein langsames, schwankendes Rückwärtsgehen irritiert durch den Versuch, krampfhaft die Gerade einzuhalten. Am Platz verschiebt sie das Wasser in ihrem Körper, doch sie hat nicht den Mut, in dieses Thema tiefer einzudringen. Stattdessen unterbricht sie die Studie mit symbolischen Handbewegungen, zerlegt Sätze analog zu abrupt abgebrochenen Bewegungen. War das nicht der Stil von Angela Guerreiro?

Jan Pusch dagegen gelang – trotz Fußverletzung – eine unterhaltsame Fortsetzung seiner Filmstudien aus der Welt der Helden und Verlierer. Im Entree lümmeln sich die Spieler zum Ry-Cooder-Riff noch mit gesenkten Köpfen auf ihren Stühlen, während Jan Pusch mit Tom Waits-Stimme den geplatzten Abend beklagt.

Doch das Song-Thema „It's About A Broken Toe“ wird schnell in einen herzzerreißenden Spendenaufruf umgemünzt, und nun muß das Publikum agieren: Erst klingelt die Kollekte, dann dürfen drei Zuschauer die Bewegungen der Tänzer bewerten. Wie im Spiel „Memory“ geht es dann darum, sich genau zu merken, auf welchem der Bodenfelder die gewählte Bewegung ausgeführt wurde. Showmaster Jan verfeinert galant die Anforderungen, während Superwomen Wobine Bosch und Fiona Gordon mit Jan von der Heyden ihre Kreisel drehen.

Bei Cornelia Ölund muß man schon ganz nah dransitzen, damit einem das gelungene Mienen- und Meditationsspiel der Froschprinzessin nicht entgeht. Dann aber lohnt sich die Konzentration, denn in ihrem neuen Solo spielt Ölund ihr komisches Talent voll aus und befreit ihr inneres Kind. Ein runder Sandfleck und ein gelber Pingpongball sind die einzigen Requisiten für das Spiel des unartigen Kindes im roten Sackkleid, dem nie die Ideen ausgehen: Es läßt den Sand aus einer Hand rieseln und probiert aus, ob sich der optische Strich des Fallens unterbrechen läßt, dann jongliert es mit einer Handvoll Sandkörnern wie andere mit Bällen und bewegt schließlich den gelben Tischtennisball und ein frisches Eigelb durch den Luftraum.

Trotz einiger Längen waren die „Zuschauer ab acht Jahren“ bei der Premiere im Bürgerhaus Wilhemsburg am Sonntag rundum verzaubert. Gabriele Wittmann

„Froschprinzessin“ ist noch heute und morgen, 19.30 Uhr, auf Kampnagel, k4 zu sehen