Polizeiakten für Scientology

■ Sekten-Maulwurf im Hamburger Landeskriminalamt: Dienststelle Interne Ermittlungen (DIE) tappt erfolglos im Dunkeln Von Thomas Koch

Die Beamten glaubten, ihren Augen nicht zu trauen: In der „Freiheit“, dem nationalen Haus- und Hetzblatt der US-Sekte Scientology, konnten sie Auszüge aus einem internen Papier des Hamburger Landeskriminalamtes (LKA) lesen. In einer Schmähschrift der „Freiheit“ über die Hamburger Scientology-Beauftragte Ursula Cabert tauchten gleich mehrere aus dem Zusammenhang gerissene Passagen aus einer LKA-Einschätzung über die Psycho-Sekte auf, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Inzwischen ermittelt die für Beamtendelikte zuständige Dienststelle Interne Ermittlungen (DIE) wegen eines möglichen „Verrats von Dienstgeheimnissen“.

Bei dem Papier, daß über Umwege in die Freiheit-Redaktion gelangte, handelt es sich um einen im Juli 1995 erstellten und später weitgehend überarbeiteten Entwurf einer polizeilichen Einschätzung der Sektenaktivitäten. Die Hamburger Kriminalen waren von der Innenbehörde aufgefordert worden, für eine Senatsdrucksache zum Thema „Scientology“ ihre Erkenntnisse über die Sekte zu Papier zu bringen.

Da der interne Entwurf nie das Licht der Öffentlichkeit erblickte, sind die DIE-Ermittler sicher sein, daß die Geheim-Analyse der Psycho-Sekte aus Polizeikreisen zugespielt wurde. Damit ist das erste Mal bewiesen, was in Sicherheitskreisen schon länger vermutet wird: Die Scientologen haben (einen) Informanten im Hamburger Polizeiapperat und sind – zumindest teilweise – über die gegen sie gerichteten Ermittlungen informiert.

Zum ersten Mal machte diese Vermutung Anfang der neunziger Jahre die Runde, als die Geschäftsräume der Scientology-Zentrale am Steindamm und andere Sekten-Dependancen durchsucht wurden. Ein beteiligter Fahnder: „Wir hatten das Gefühl, daß die Hausdurchsuchung für die Scientologen nicht überraschend kam“.

Doch selbst wenn die Sekte von der Razzia nicht vorab informiert worden sein sollte: Die Durchsucher sorgten selber dafür, daß sie kaum fündig werden konnten. So hatte die Polizei von einem Sekten-Aussteiger vor der Steindamm-Razzia die Information erhalten, daß die „Church“ alle als besonders intern eingestuften Unterlagen hinter einer Stahltür im unteren Bereich des Gebäudes zu deponieren pflegt. Da angeblich keiner der im Hause angetroffenen Scientologen einen Schlüssel zu dem Tresor besaß, zogen die Ermittler unverrichteterdinge von dannen, unterm Arm nur ein paar Werbepublikationen über die schöne neue Welt des Sektengründers L. Ron Hubbard.

Nicht erfolgreicher verlaufen bisher die Ermittlungen gegen den Sekten-Maulwurf im LKA. „Rund 200 Personen“, schätzt ein DIE-Ermittler, hätten theoretisch an das Geheimpapier herankommen können, das in einem hausintern vernetzten Computer eingespeichert war. Die Chance der Fahnder, den kurzen Draht zwischen Polizei und Sekte zu kappen, sei deshalb „äußerst gering“.