■ Tour d' Europe
: 45 Jahre Auf und Ab

Europa ist unberechenbar. Meist entwickelt sich die Zusammenarbeit recht gemächlich, doch von Zeit zu Zeit entsteht ganz plötzlich etwas Neues. Und meist benötigt die Öffentlichkeit einige Monate, um dessen Bedeutung voll zu erfassen. So war es bei der Währungsunion und auch schon beim Binnenmarkt.

Als 1951 die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl gegründet wurde, ging es vor allem darum, die deutsche Grundstoffindustrie unter internationale Kontrolle zu stellen. Mit dabei damals Frankreich, Deutschland, Italien und die drei Beneluxstaaten. 1953 sollte diese Montanunion um eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft ergänzt werden, was aber kurz vor dem Ziel an der französischen Nationalversammlung scheiterte.

Dieser Rückschlag wirkte nicht lange nach. Schon 1957 machte die Gemeinschaft einen Riesenschritt voran. Die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) führte zur Integration der gesamten Wirtschaftspolitik, zur Abschaffung der Zölle, zu einem gemeinsamen Außenhandel.

Mit diesem Programm wuchs die Gemeinschaft. Es kamen Großbritannien, Irland und Dänemark (1973), Griechenland (1981), Portugal und Spanien (1986) hinzu. Doch vor allem die 70er Jahre wurden als Stagnation, als Eurosklerose, empfunden. Die EG hatte sich im Alltagsgeschäft verheddert.

Erst unter dem Eindruck der japanischen Herausforderung entstand die Idee des Binnenmarkts, einer Rechtsgemeinschaft, bei der nicht mehr unterschiedliche Normen und Standards den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital verhindern. 1986 wurde deshalb mit der „Einheitlichen Akte“ die Kompetenz der EG ausgeweitet und ein weitgehendes Mehrheitsprinzip eingeführt, um die Harmonisierung zu beschleunigen.

Im Maastrichter Vertrag schließlich wurde 1991 die Vereinbarung der Währungsunion festgehalten. Von der Idee einer politischen Union blieb vor allem die Umbenennung der EG in Europäische Union (EU). Unter deren Dach stellt man auch die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Zusammenarbeit in der Innen- und Rechtspolitik. Diese Bereiche sind allerdings nicht richtig vereint. So haben hier Parlament und Gerichtshof der EU nichts zu sagen.

Verschiedene Staaten ließen das Volk über die Annahme des Maastrichter Vertrags abstimmen. In Frankreich war die Mehrheit hauchdünn, in Dänemark wurden sogar zwei Anläufe benötigt. Auch die nachfolgende Erweiterung um vier Staaten verlief nicht glatt. In Norwegen sagte die Bevölkerung nein, aber auch in Schweden, Finnland und Österreich war die Stimmung wenig euphorisch.

Welchen Quantensprung die anstehende Regierungskonferenz bringen wird? Vielleicht keinen. Aber Europa ist für Überraschungen gut. „Wer in europäischen Angelegenheiten nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist“, sagte einst Walter Hallstein, der erste Präsident der EWG-Kommission.chr