■ Querspalte
: FDP auf dem Teppich

Wozu ist die FDP eigentlich noch da? Der perfidesten aller Fragen, die sich je im politischen Raum gestellt haben, ist endlich die gebührende Antwort erteilt worden: Die FDP ist zum Gewinnen da. Jede vertikale, horizontale und fraktale Theorie des Politischen ist mit ihrem Latein am Ende, der neue Lehrsatz stammt von Guido Westerwelle: „Die FDP hat gezeigt, daß sie gewinnen kann.“ Die Übertragbarkeit dieser Formel auf jedes beliebige politische Phänomen läßt sich mühelos belegen: Die SPD hat gezeigt, daß sie verlieren kann. Was zu beweisen war.

Fast scheint es jedoch, als seien die Freien Demokraten von ihrer Fähigkeit, diese Stärke in der Theorie auch in die Praxis umsetzen zu können, selbst überrascht worden. Sie waren gestern alle so angestrengt bescheiden. „Wir bleiben auf dem Teppich“, sagte Westerwelle unentwegt. Und das in einer Situation, in der der Partei zum ersten Mal alle Wege offenstehen – vor allem die nach oben –, hat sie doch die absolute Mehrheit in allen 16 Bundesländern sowie in Holland, Belgien und Luxemburg nur knapp verfehlt.

Wir wollen, daß diese Partei abhebt, ganz weit nach oben, bis nichts mehr vom Steuerland zu sehen ist, auf daß die Abgaben immer kleiner werden und am Ende ganz verschwinden. Diese Partei hat es verdient. Dem Sieger winkt nun mal das Glück. Das Bergsteiger-Verbandsorgan, die FAZ, hat dieses Verdienst in schöne Worte gekleidet: „Die Kletterpartie aus dunkler Schlucht hinauf bis an den Rand der Hochebene, wo der Blick ins Land sich öffnet, ist geschafft.“

Bei dem einen oder anderen Problem, mit dem die FDP nicht gerechnet hat, das sich jetzt aber dem geöffneten Blick ins Land bietet, kann die Partei auf Helmut Kohl bauen. Der hat zum hundertsechsundsiebzigsten Mal gezeigt, daß er gewinnen kann, und er versteht noch mehr vom Geschäft als die Liberalen. „Regieren in Deutschland macht nur Freude“, offenbarte der Kanzler gestern. Über den tieferen Kraftquell der Liberalen für ihre unglaubliche Siegesserie muß nun nicht mehr spekuliert werden. Jens König