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Mieten klettern ein bißchen langsamer

■ Neuer Mietspiegel erschienen: „Normalisierung in Teilbereichen“

Soviel Einvernehmen herrscht selten. Gemeinsam mit Mieter- und Hauseigentümerverbänden stellte Bausenator Jürgen Klemann (CDU) gestern den Mietspiegel 1996 vor. Und siehe da: „Es gibt Entspannungstendenzen auf dem Berliner Wohnungsmarkt“, freute sich der Bausenator.

Die Entspannung, von der Klemann redet, ist in erster Linie ein gebremster Mietenanstieg. Gegenüber dem letzten Mietspiegel von 1994 stiegen die Mieten im Altbau um durchschnittlich 3,9 Prozent, im Neubau um 2,3 Prozent. Die höchste Steigerungsrate mit jährlich 5 Prozent betraf die ehemals preisgünstigen Altbauwohnungen mit unter 40 Quadratmeter Wohnfläche. Bei Neubauwohnungen, die nach 1983 fertiggestellt waren, ist sogar zum erstenmal ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Die Bilanz des Bausenators: „Die Mietpreisentwicklung hat sich entgegen den Erwartungen in den ersten Nachwendejahren verlangsamt.“ Grund dafür ist die hohe Zahl fertiggestellter Neubauwohnungen; 13.800 waren es im vergangenen Jahr, 56.000 seit der Vereinigung. Für weitere 28.500 Wohnungen ist bereits eine Baugenehmigung erteilt.

Der neue Mietspiegel, der ab April per Postwurfsendung an alle Westberliner Haushalte verteilt wird, war erstmals seit 1987 wieder einvernehmlich zwischen allen Beteiligten erstellt worden. Er gilt für etwa 500.000 nicht preisgebundene Wohnungen in den Westbezirken. Nach den in ihm festgelegten Daten kann ein Eigentümer die Miete schrittweise bis zum Mietspiegelwert erhöhen, genauso wie Mieter mit ihm gegen überhöhte Mieten wegen Wuchers angehen können. Durch die Beteiligung nicht nur von Mieter- und Eigentümerverbänden, sondern auch der Berliner Justiz soll gewährleistet werden, daß der Mietspiegel in der Rechtsprechung vor Gericht Anerkennung findet. In Ostberlin dagegen gilt noch bis Ende 1997 das Mietenüberleitungsgesetz mit gesetzlich festgelegten Mieterhöhungsbedingungen. Spätestens mit dem nächsten Mietspiegel 1998 wird aber auch zwischen Pankow und Köpenick das bundesdeutsche Vergleichsmietensystem gelten.

Vor dem Gerede von einer „Entspannung auf dem Wohnungsmarkt“ warnte gestern der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Hartmann Vetter. Der Mietspiegel 1996 sei allenfalls ein Zeichen für eine gewissen Normalisierung in Teilbereichen. In der Tat liegt die Erhöhung immer noch über dem Anstieg der allgemeinen Lebenshaltungskosten, der in den letzten beiden Jahren 2,4 Prozent betrug. Auch Bausenator Klemann warnte gestern davor, angesichts der Entspannung auf dem Wohnungsmarkt die bisherige Neubaupolitik zu kippen. An der vereinbarten Zahl von jährlich 7.500 geförderten Wohnungen müsse festgehalten werden, sagte Klemann. Uwe Rada

Die Bauverwaltung hat ein Mietspiegel-Telefon eingerichtet: 867-3737

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