Amtshilfe für Müllverbrenner

Sozialdemokraten in Köln versuchen mit allen Mitteln, den größten Müllofen der Republik durchzusetzen. Politik und Wirtschaft total verfilzt  ■ Von Markus Schulte

Dortmund (taz) – „Das sind alte Seilschaften, die da klettern.“ So kommentierte Kölns Regierungspräsident Franz Josef Antwerpes (SPD) den Schulterschluß von CDU und Bündnis 90/Die Grünen im Kölner Stadtrat. Beide Fraktionen wollen einen Beschluß der Aufsichtsbehörde vor Gericht anfechten. Denn gleich zweimal hatte Antwerpes seine Macht ausgespielt: Das Bürgerbegehren der „Kölner Interessengemeinschaft Müllvermeidung statt Müllverbrennung“ (Kimm) erklärte er für „unzulässig“. Und einen schwarz- grünen Ratsbeschluß für das Bürgervotum hob er auf.

Streitpunkt ist der Bau einer Müllverbrennungsanlage (MVA) im Kölner Norden. Mit 420.000 Tonnen Kapazität soll sie die größte Deutschlands werden. Fast eine Milliarde Mark kostet der Bau. „Eine wichtige Referenzanlage, die lukrative Nachfolgeaufträge einbringt“, heißt es beim Gummersbacher Anlagenbauer Steinmüller. Doch Widerstand regt sich. So sammelte die Kimm über 48.000 Unterschriften, um einen Bürgerentscheid zu erwirken. Mit dem Votum will sie den Rat zwingen, Kölns Abfallwirtschaftskonzept fortzuschreiben.

Dabei ist dieses Konzept nicht einmal besonders progressiv: Beim Hausmüll sieht der Plan eine Vermeidungsquote von nur zehn Prozent vor – eine Zahl, die auf einer Ratsvorlage der Verwaltung von 1993 basiert. Dabei wußten die städtischen Experten schon damals, daß viel mehr möglich wäre. In ihrem Auftrag hatte die Berliner Ingenieurgemeinschaft Technischer Umweltschutz (ITU) nämlich ausgerechnet, daß Köln seinen Hausmüll unter anderem mit Hilfe von Biotonnen um 36,5 Prozent reduzieren könnte. „Damit wurde der Rat entmündigt“, kritisieren die Grünen im Stadtrat. Schließlich sei die Vermeidungsquote zentral für die Größe der MVA.

Doch Antwerpes, der seinen Angestellten eine sortenreine Trennung des Büromülls abverlangt, treibt derweil den umstrittenen Bau voran. Noch bevor er das Bürgervotum untersagte, genehmigte der Chef der Kommunalaufsicht den Müllofen. Nachdem am vergangenen Montag die Widerspruchsfrist für Anwohner abgelaufen war, gab er am Dienstag nachmittag grünes Licht für den „sofortigen Vollzug der Errichtung“ der MVA. Das sei noch keine Entscheidung über den späteren „Betrieb“ der Anlage, ließ er seinen Sprecher ausrichten. So kann die Kölner Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft (AVG) nun ruhig weiterbauen. Schon Mitte Februar hatte Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier (SPD) den ersten Spatenstich gesetzt. Ruschmeier hat nicht nur die Aufgabe, den MVA- Ratsbeschluß als Chef der Verwaltung umzusetzen. Er ist auch Vorsitzender des AVG-Aufsichtsrats.

In diesem Gremium sitzt auch Hellmut Trienekens, Chef der Viersener Trienekens/R + T Entsorgungs GmbH. Gemeinsam mit der Stadt Köln und den Stadtwerken ist sein Unternehmen Gesellschafter der AVG. Trienekens gehört wiederum dem Stromgiganten RWE, der ebenfalls im AVG- Aufsichtsrat mitmischt. Zugleich ist RWE über Anteile bei der Essener Hochtief AG und der Frankfurter Philipp Holzmann AG mit im Geschäft bei Steinmüller.

Um dennoch den Schein eines offenen Wettbewerbs zu wahren, verschickte die AVG 1993 Ausschreibungspapiere für den Kölner Ofen. Tatsächlich aber erhielten nur wenige Firmen Post. Den Zuschlag bekam schließlich Steinmüller. Die Auswahl der Angeschriebenen hatte im Auftrag der AVG die UTG Gesellschaft für Umwelttechnik GmbH getroffen – eine Trienekens-Tochter. Auch Antwerpes hatte vorgesorgt: Um die MVA-Planung zu beschleunigen, „habe ich Herrn Ruschmeier geraten, sich Ingenieurbüros zu bedienen und dabei besonders die Firma Steinmüller aus Gummersbach zu berücksichtigen“, so ein Vermerk aus seinem Büro vom Juli 1992.

NRW-Umweltministerin Höhn ist machtlos

Diese MVA-Seilschaft kann auch die grüne Landesumweltministerin Bärbel Höhn nicht durchbrechen. Zwar hat sie einen Baustopp verfügt. Doch Antwerpes setzt ihn nicht um. Inzwischen fordert die Ministerin, daß Antwerpes das „Interesse der Öffentlichkeit und der privat Beteiligten“ prüfen müsse. Sie sehe keinen Bedarf für die MVA, so Höhn. Städte wie Bonn, Leverkusen und Düsseldorf hätten angeboten, Kölns Abfall mit zu verbrennen.

Ferner meint die Ministerin, daß eine nicht ausgelastete Anlage die Abfallgebühren auf „eine schmerzliche Höhe treiben“ würde. Ruschmeier hingegen droht im Falle eines Baustopps mit steigenden Gebühren. Antwerpes glaubt ihm: Eine „Rückabwicklung“ der MVA würde nach den „glaubhaften und nachvollziehbaren Schätzungen der Verwaltung der Stadt Köln“ rund 540 Millionen Mark kosten. Ein Großteil seien Schadenersatzforderungen.

Höhn läßt nun prüfen, ob „Grund für die Besorgnis zur Befangenheit“ von Antwerpes besteht. Die grüne Stadträtin und AVG-Aufsichtsrätin Petra May macht sich indes nichts vor: „Die politische Mehrheit wollte den Ofen, also hat sie den Vertrag so formuliert, daß man nicht mehr rauskommt.“