Polizeimarsch statt Weltmusik

■ Der reinste Zynismus: Das einzigartige Internationale Institut für Traditionelle Musik soll sich selbst liquidieren – damit es nicht mehr so unsicher wirtschaften muß

Sir Yehudi Menuhin schwärmte in den höchsten Tönen: „Eine der faszinierendsten Einrichtungen in der Welt“, schrieb der Geigenvirtuose, „ist das Internationale Institut für vergleichende Musikstudien in Berlin.“ In der „stillen Villa“ im Grunewald könne man „durch die ganze Welt der Musik“ reisen und sich so kulturelle Wünsche erfüllen, „von denen man in meiner Kindheit noch nicht geträumt hätte“.

Mit seiner Wertschätzung steht Menuhin nicht alleine da. Die kleine, aber feine Institution in der Winkler Straße genießt weltweit in Fachkreisen höchstes Ansehen. Geht es jedoch nach Kultursenator Peter Radunski (CDU), ist damit bald Schluß. Das Institut soll zum 31. Oktober 1996 aufgelöst werden. Und das, obwohl der Rat für die Künste das Internationale Institut für Traditionelle Musik (IITM) in seine Liste der Häuser mit „gesamtstaatlicher Bedeutung“ aufgenommen hatte und es bereits eine Absichtserklärung des Bundes gibt, für die Hälfte des IITM-Etats aufzukommen.

Der Leidensweg des Instituts begann 1992. Schon damals sah sich die Forschungseinrichtung mit einer „schleichenden Nichtfinanzierung“ konfrontiert. Kontinuierlich wurde der Etat reduziert, im letzten Jahr mußten Institutsleiter Max Peter Baumann und seine dreizehn Mitarbeiter mit einer Subvention von 1,1 Millionen Mark auskommen – einer vergleichsweise bescheidenen Summe. Entsprechend gering sind die Einsparungen, die sich der Kultursenator von der Schließung versprechen kann.

Wobei der Zynismus der Politiker offenbar keine Grenzen kennt. Aus Radunskis Verwaltung heißt es, das Institut solle die Zuschüsse für 1996 dazu verwenden, sich selbst zu „liquidieren“, damit seine Angestellten nicht „weiteren Mißverständnissen und Unsicherheiten ausgesetzt“ würden.

Übertroffen wird die Absurdität dieser Begründung nur noch von der augenscheinlichen Unkenntnis seitens der politisch Verantwortlichen. Bei dem 1963 mit Mitteln der Ford-Stiftung gegründeten IITM handelt es sich um eine bundesweit einzigartige Einrichtung. Seine Verdienste um die Bewahrung und Verbreitung klassischer außereuropäischer Musik können gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die internationalen Verbindungen des Instituts sind legendär. Die hier herausgegebene Zeitschrift World of Music hat Abonnenten in mehr als sechzig Ländern der Erde; die vor sieben Jahren ins Leben gerufene, in englisch erscheinende Buchreihe „Intercultural Music Studies“ gilt als eines der wichtigsten Foren für den grenzübergreifenden musikwissenschaftlichen Dialog.

Darüber hinaus hat das Institut über 130 CDs produziert, die vom Verschwinden bedrohte Musikkulturen dokumentieren. Am stärksten im Bewußtsein eines breiteren Publikums sind jedoch die seit 1977 stattfindenden „Festivals Traditioneller Musik“, die in Berlin und anderen bundesdeutschen Städten jährlich Tausende in die Konzertsäle locken. Das diesjährige Festival dürfte das letzte seiner Art werden.

Kultursenator Radunski plant, das IITM dem Haus der Kulturen der Welt anzugliedern. Allerdings betrifft das nur die Bibliothek und die Musikinstrumentensammlung. Die Forschungsarbeit selbst fiele künftig unter den Tisch. Ob der Schaden, der dadurch entsteht, jemals wieder wettgemacht werden kann, ist mehr als fraglich. Nele Hertling, Leiterin des Hebbel- Theaters und Mitglied im Kuratoriums des Internationalen Instituts für Traditionelle Musik, brachte das Problem gestern auf den Punkt: „In Berlin wird immer darüber geredet, wie wichtig Internationalität für die Stadt sei. Doch die Initiativen, die sich seit Jahrzehnten darum kümmern, werden ignoriert.“

Wie provinziell die Berliner Kulturverwaltung denkt, macht ein anderes Beispiel deutlich: Der Big Band der Polizei spendiert Radunski in diesem Jahr aus dem Steuersäckel runde vier Millionen Mark – ein Betrag, mit dem Baumanns Institut bis 1999 gesichert werden könnte. Ulrich Clewing