■ Bürgerinitiative „Eine Stunde für Deutschland“: Mehr Arbeit, und das für Arbeitslose!
Berlin/Köln (taz) – Wieviel ist ein sicherer Arbeitsplatz wert? Wieviel Zeit würden Sie zur Sicherung des „Standortes Deutschland“ aufwenden? Eine Stunde? Mit nur einer Stunde wären wir endlich raus aus der Misere. Denn eine Stunde Arbeitszeit bedeutet auf ganz Deutschland umgerechnet 1,6 Milliarden Mark Gewinn. „Eine Stunde für Deutschland“ hat sich deshalb die Bürgerinitiative „Aktionsbündnis Sommerzeit“ zum Ziel gesetzt, und so lange sollten wir schon durchhalten.
Denn die 60 Minuten würden niemandem fehlen: Wenn im Herbst die Uhren wieder auf Winterzeit zurückgestellt werden, dann wird uns allen eine Stunde geschenkt. In der wir schlafen. Das muß doch nicht sein, dachten sich Claudia und Horst Umsprunck aus Köln und machen einen Vorschlag: Die Uhr soll nicht in der Nacht, sondern während der Arbeitszeit umgestellt werden. Jeder arbeite unbezahlt eine Stunde länger, denn das macht sich bezahlt, das gewonnene Geld könnte in Arbeitsplätze investiert werden.
Das ARD-Magazin „ZAK“ fragte nach, und siehe da: Die Idee stößt auf positive, wenn auch noch verhaltene Politikerresonanz. Wirtschaftsminister Rexrodt: „Man muß erst prüfen, bevor man urteilt.“ Finanzminister Waigel ist zurückhaltender: „Also, mit der Sommerzeit ist ja schon eine Stunde gewonnen, das ist ja schon – glaube ich – ein Vorteil.“ Sein Ministerkollege a.D. Möllemann ist dagegen begeistert: „Das ist an sich der innovative Ansatz ... ein spitzer Vorschlag.“
Linke Politiker äußerten sich bei „ZAK“ noch nicht. Es scheint sich aber ein breiter Konsens quer durch alle Parteien abzuzeichnen. Werner Schulz, Parlamentarischer Geschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, hatte im taz-Gespräch zwar zunächst noch keine Meinung, bildete sich aber geschwind eine: „Es scheint einen ökonomischen Effekt zu geben. Es dreht sich da wohl um die Frage, ob mehr gearbeitet werden soll. Wenn man diese Stunde für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit einsetzen würde ...“ Spontan fiel Schulz sogar noch ein Spruch ein, der zum Werbeslogan der Initiative werden könnte: „Mehr Arbeit, und das für Arbeitslose!“ – das fände er gut.
In der Parteizentrale der SPD war gestern keine Stellungnahme zu bekommen: Die Pressestelle gab sich ahnungslos, die Parlamentarier waren bereits in den Osterurlaub abgereist. Auch bei der PDS sind die Beratungen offenbar noch nicht abgeschlossen. Das höre sich „am Telefon alles ganz plausibel“ an, man wolle aber erst mal „zwei Minuten darüber nachdenken“, sagte Erwin Müller vom PDS-Pressedienst. Der versprochene Rückruf kam auch nicht bis zum Redaktionsschluß.
Sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite herrscht Skepsis – zu tief sitzt die Verbitterung über das Scheitern früherer „Wunderrezepte“. DGB- Sprecher Peter Schellschmidt gegenüber „ZAK“: „Es muß sich insoweit umsetzen lassen, daß man die Arbeitgeber auch zwingt, sich selbst zu bewegen.“ Eine BDA- Sprecherin zur taz: „Davon haben wir noch nie gehört. Dazu können wir noch keine Stellungnahme abgeben.“ Stefan Kuzmany
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