Abenteuer à la Kreuzberg

Sprayer, Spieler und Revolutionäre. Bücher, die dort beginnen, wo Kids heute ihren Kick suchen. Wie schlicht waren da doch die Zeichnungen des Sprayers von Zürich  ■ Von Gabi Trinkaus

Die Sprayer sind ein eigen Völkchen mit hierarchischen Strukturen, Decknamen und eigener Sprache. Darum versteht auch niemand, der nicht dazu gehört, was heutzutage an den Hauswänden in dreidimensionaler Qualität prankt. Wie einfach lustig waren doch die berühmten Schweizer Strichmännchen oder die Botschaften an Hauswänden und Bunkern: „Wer Bunker baut, wirft Bomben. Wer keine Kraft zum Träumen hat, hat auch keine Kraft zum Kämpfen.“ Das leuchtete auf Anhieb ein. Bei den heutigen Wandbildern leuchtet meist nur die Farbe. Daß ich das so sehe, zeigt, daß ich Jugendkult hinter mir gelassen habe. Trotzdem habe ich das Buch mit Interesse gelesen.

Die Geschichte kommt anfangs nicht so recht in Gang, weil die vielen Fachtermini geklärt werden müssen. Also, was sind „Toys“ oder „Crosser“ oder „Throw Ups“ usw. Außer Englischkenntnissen muß ein Sprayer auch sportliches Talent mitbringen, denn es ist unbedingt von Vorteil, schnell rennen zu können. Es ist weniger schlimm, von der Polizei erwischt zu werden, als von der Verteidigungsliga für unbemalte Hauswände. Geld braucht man auch. Farbe ist teuer. In unserem Buch wird sie geklaut, was das Zeug hält. Und natürlich darf man nicht nachtblind sein, denn gemalt wird im Schutz der Dunkelheit. Da trifft man dann noch andere Leute, die diesen Schutz auch brauchen.

In einem Hinterhof versteckt sich die Sprayergang vor zwei Typen, die einen Kater an der Teppichstange aufhängen. Sie retten ihn. Jetzt hat Sprayer Mike endlich sein Thema gefunden: Er sprayt Katzen. Doch schon bald entdeckt er, daß jemand seine Katzen übermalt. Er erwischt zwei Mädchen, die ihn für den Katzenmörder halten. Durch gemeinsames Kombinieren entlarven sie einen Bauspekulanten als Katzenmörder. Der terrorisiert Hausbewohner, um sie zum Ausziehen zu überreden. Die Gang ist jetzt um zwei Mädchen stärker. Das führt zu gruppendynamischen Spannungen, bis geklärt ist, wer mit wem.

Hart im Nehmen

In diesem Buch treffen wir Buster wieder, der im letzten Roman von Bjarne Reuter so stolz verkündete: „So einen wie mich kann man nicht von den Bäumen pflücken.“ Die Wiedersehensfreude über den pfiffigen Jungen von ganz unten wird nicht ganz eingelöst. Seltsam müde agiert Buster. Natürlich hat er weiterhin Ärger mit Lehrern, Mitschülern, deren Eltern und dem Hausmeister. Aber statt einer Geschichte gibt es viele kleine Episoden aus den Leben Busters. Roßhaarkalle, sein Steckenpferd, ist eine bewegliche Heimat für ungezählte Läuse, was natürlich sein Leben enorm verkürzt. Der Hausmeister wirft ihn ins Feuer. Es ist ihm egal, daß das für Buster bedeutet, seinen zweitbesten Freund zu verlieren. Ein schwarzer Tag in Busters Leben. Nur gut, daß er hart im Nehmen ist. Der Musiklehrer veranstaltet mit Busters Klasse ein Klassenspiel. Buster bekommt keine Rolle. Er wird Kulissenschieber, unsichtbar, aber doch noch anwesend. Das finden manche Kinder wie Stig-Ole schon zuviel. Denn wo Buster ist, passieren immer unvorhergesehene Dinge. Das nennen Leute ohne Phantasie „Buster macht immer alles kaputt.“ Natürlich läuft auch das Klassenspiel nicht nach Programm und wird schließlich Busters größter Triumph. Aber so etwas ist relativ. Des einen Freud ist des anderen Leid. Und daß Buster da manchmal etwas nachhilft, ist doch nur ausgleichende Gerechtigkeit.

Cyberspace vor der Haustür

„Du wirst deinen Hintern ins Klassenzimmer bequemen, oder ich stecke diese Spielhalle eigenhändig in Brand“, droht die radikale Großmutter ihrem Enkel. Dabei hat Rhan in diesem Stadium bereits kapiert, was ihm gefällt an diesen Computerhelden. Die Typen sind immer allein, ausgeschlossen von der Gemeinschaft und setzen alles daran, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Täglich spielt er „Stormer“, täglich muß er sterben, in Abgründe springen oder verbrennen, und die Prinzessin bleibt ungerettet. Aber eines Tages wird er es schaffen, daran glaubt er fest.

Er ist gerade wieder gescheitert, als die Reifen eines für die Gegend zu schicken Autos vor der Spielhalle quietschen. Der Besitzer erwartet den achten Überfall. Doch aus dem Auto schwingt sich ein Mädchen. Und Rhan stürzt hinaus, um seine Prinzessin zu retten. Doch die zeigt ihm den Stinkefinger und verbittet sich jegliche Annäherung. Natürlich muß er ausgerechnet sie in der neuen High- School treffen und dann noch in einer für ihn wenig vorteilhaften Situation. Unser Held zeigt sich gerade von seiner feigsten Seite. Klar, daß er Thalie, so heißt seine Prinzessin, nun sein Heldentum beweisen muß. Die Situation läßt nicht lange auf sich warten. Die Schule ist völlig überfüllt. Beim Mittagessen haben nur die Stärksten das Recht auf einen Tisch. Da besteht Rhan seine erste Heldenprobe, und das Mädchen Thalie sorgt dafür, daß es immer wieder Proben zu bestehen gibt. Doch Sinn und Zweck der Abenteuer geraten bald durcheinander. Er kann zwar Thalies Geheimnis lüften, doch damit lernt er auch, daß zwischen Brauchen und Lieben ein schmerzlicher Unterschied besteht. Ein spannendes Jugendbuch für Helden von heute.

Bessere Menschen gesucht

Werner Egli gehört zu den Abenteurern unter den Schriftstellern. 1943 in Luzern geboren, hielt es ihn nicht in der Schweiz. Sein Traumziel ist Amerika. Und auch dort beschränkt er sich nicht auf den wilden Westen. Wir treffen ihn auch in Alaska oder, wie in diesem Buch, in Mittelamerika.

Zwischen die Mühlsteine der Macht gerät Lara. Sie ist die Tochter eines reichen und politisch einflußreichen Gutsbesitzers. Sie liebt ihre Eltern und übernimmt deren Weltbild. Mit Leibwächtern müssen sie sich vor den Kommunisten schützen, weil die auch reich sein wollen und ihnen die Finca rauben möchten. Dieses Weltbild erhält erste Risse durch Laras Onkel Manuel, der ihr ein Buch gibt, das vom Schicksal der Indianer und ihrer Verelendung berichtet. Lara beginnt langsam, mit eigenen Augen zu sehen. Sie beginnt, die Armut der Arbeiter ihres Vaters als Unrecht zu begreifen. Doch dann wird sie brutal geweckt: Die Familie will gemeinsam in die Stadt fahren. Im letzten Augenblick bekommt der Vater einen Anruf und sagt ab. Statt seiner fährt Onkel Manuel den Mercedes. Sie geraten in einen Hinterhalt und werden bis auf Lara alle erschossen. Der Indianerjunge, der ihre Mutter erschoß, läßt sie überleben. Lara kann sein Gesicht nicht vergessen. Sie entdeckt Widersprüche: Die Medien berichten nicht die Wahrheit, die Soldaten töten wahllos Indianer, ihr Vater schläft mit Indianerinnen. Vielleicht wußte er sogar von dem Anschlag und hat seine Familie in den Tod gehen lassen.

Als die Soldaten den Indianerjungen fangen, bricht sie alle Brücken hinter sich ab. Sie rettet ihn und flüchtet mit ihm in den Dschungel. Doch bei den Guerilleros sucht sie vergeblich nach den guten Menschen. Sie töten genauso wie die Soldaten. Die einen sterben für die Revolution, die andern fürs Vaterland. Eine, wie immer bei Egli, spannende Geschichte, aber auch sehr desillusionierend. Die Che-Guevara-Fahne ist zur Attrappe verkommen und Frieden, so scheint es, wollen nur die Frauen und Kinder.

Ralf Thenior: „Die Nacht der Sprayer“. Ravensburg, ab 12 Jahre, 22 DM

Diana Wieler: „Rhan Van oder dieses laserblaue Gefühl“. Aare- Verlag, ab 14 Jahre, 24,80 DM

Bjarne Reuter: „Küß die Sterne!“ Fischer Schatzinsel, ab 10 Jahre, 10DM

Werner J. Egli: „Martin und Lara“. dtv pocket plus, ab 12 Jahre, 8,90 DM.