Ein Rücktritt, der niemals einer war

■ Die DEL hat Eishockey verändert: Bernd Schnieder, dem dienstältesten deutschen Schiedsrichter, gefällt das gar nicht

Frankfurt/Main (taz) – Trotz perfekter Kommunikationsmöglichkeiten funktioniert Journalismus oft noch wie „Stille Post“. Da sagte Deutschlands bester Eishockey-Schiedsrichter Bernd Schnieder nach dem knüppelharten ersten Play-off-Halbfinalspiel der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) zwischen den Kölner Haien und dem EV Landshut: „Da kann man die Lust verlieren.“ Prompt meldete der Sportinformationsdienst am nächsten Tag: „Schnieder hört auf.“ Und der nächste dichtete dazu: „Schnieder traut sich nicht, in Landshut das zweite Spiel zu pfeifen.“

Der Betroffene wunderte sich nur noch: „Ich war nach diesem Spiel frustriert, das stimmt, aber von Aufhören habe ich nichts gesagt.“ Geschweige denn, daß er vor dem zweiten Spiel in Landshut gekniffen hätte: „Völliger Quatsch. In zwei aufeinanderfolgenden Spielen pfeift ohnehin nie der gleiche.“ Dafür leitete er dann die dritte Partie zwischen den Berliner Preußen und der Düsseldorfer EG. Und auch bei den Finalspielen zwischen Düsseldorf und den Kölner Haien wird er wieder eingesetzt. Zwar noch nicht heute abend beim dritten Spiel der Serie, die nach dem 5:1-Sieg der Kölner vom Sonntag momentan 1:1 unentschieden steht, aber am Donnerstag soll er Spiel Nummer vier pfeifen.

Der 48jährige aus Iserlohn hat ein bekanntermaßen dickes Fell, trotzdem hat sich Schnieder über die Stimmungsmache ein bißchen geärgert. „Das Eishockey hat sich in den letzten Jahren geändert“, urteilt der Mann, der mit „ungefähr 650 Spielen, so genau weiß ich das nicht“, der dienstälteste unter den deutschen Referees ist. Seit 25 Jahren steht er mittlerweile auf dem Eisring. „Das Umfeld in der DEL ist nicht mehr rein sportlich“, hat er festgestellt. Wurden die Schiedsrichter früher als Teil des Sportbetriebes gesehen, sind sie jetzt für viele der jung-dynamischen Branchenneulinge zum Gegner geworden, der verhindert, daß ihre Mannschaft gewinnt: „Unter dem finanziellen Druck des Siegenmüssens wird auf uns manchmal der ganze Frust abgeladen, wenn es nicht klappt“, kritisiert Bernd Schnieder.

Da wird oft aus den nichtigsten Anlässen an den Schiedsrichtern herumgemäkelt, „und nach dem Spiel oft gar nicht mehr mit uns gesprochen“. Auch die Trainer tragen immer häufiger zur aufgeheizten Atmosphäre auf dem Eis bei, indem sie, „statt die Spieler zu beruhigen, diese noch aufstacheln“. Es paßt ins Bild, daß ein Treffen zwischen den Trainern und den Schiedsrichtern, wie es das früher vor den Play-offs regelmäßig gegeben hat, „diesmal nicht stattfand“. Ohne Angabe von Gründen. „In solchen Treffen kann man sich absprechen und später auch mal die Trainer bei ihrer Ehre packen“, beschreibt Schnieder den disziplinierenden Effekt einer derartigen Besprechung. Das Gegenteil war jedoch beim Kölner 4:2-Sieg gegen Landshut zu besichtigen: „Ich bin jemand, der erst einmal versucht, die Leute verbal zu beruhigen, denn in Play-off-Spielen, wo es für alle um viel geht, sollte man nicht zu kleinlich sein.“ Was in „99 Prozent der Spiele“ gelingt, ging hier gründlich daneben: „Das war einer der ganz seltenen Fälle, in denen ich das Spiel nicht mehr zurückholen konnte“, gesteht Schnieder ein. Auch weil selbst die Verantwortlichen und Funktionäre sämtliche Hemmungen verloren hatten. Sogar die jeweiligen Kapitäne prügelten, statt zu beruhigen, munter mit: Selbst nach dem Spiel konnte etwa der Landshuter Cotrainer nur mit Mühe von einer Attacke auf Schnieder abgehalten werden, und Kölns Sportdirektor Mirko Sikora schimpfte: „Entweder es gibt Regeln oder nicht.“

In einer solchen Atmosphäre kann einem wirklich der Spaß vergehen. „Ich brauche mich von niemandem so runterputzen zu lassen.“ Deshalb war es für Bernd Schnieder ein gutes Gefühl, als in Berlin beim Halbfinale zwischen den Preußen und Düsseldorf einige Spieler auf ihn zukamen und sagten: „Schön, daß du doch weitermachst.“ Denn „wenn ich nicht mehr respektiert werde, höre ich wirklich auf.“ Matthias Kittmann