piwik no script img

TuS Walle: Million verzweifelt gesucht

■ Verein nimmt der fast bankrotten Vermarktungsgesellschaft die Bundesliga-Handballerinnen ab / Sponsoren bleiben skeptisch

Frauen-Bundesligahandball in Bremen hängt am seidenen Faden. 50:50 schätzen Optimisten die Chance ein, daß die Deutschen Meisterinnen des TuS Walle auch in der nächsten Saison mit einer starken Mannschaft um die Spitze kämpfen werden. Noch weiß niemand, wie die laufenden Gehälter der Spielerinnen bezahlt werden sollen. Das Team droht auseinanderzufallen. Wo die Million für die nächste Saison herkommen soll, steht in den Sternen.

Um zu verhindern, daß das Bundesligateam von der mit einigen hunderttausend Mark verschuldeten Vermarktungsgesell-schaft BSI in den Strudel gerissen wird, nimmt der Verein die Betreuung und Bezahlung der Spielerinnen selbst in die Hand. Das Pokalfinale Ende April in Bremen wolle man selbst organisieren, sagt Poppke. Damit ist der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Jens Eckhoff, BSI-Gesellschafter und Walle-Manager, aus dem Handballspiel.

„Wir haben keine Wahl“, sagt Poppke. Die Finanzämter verlangen, daß auch Frauen-Bundesligaclubs als Arbeitgeber Steuern und Sozialabgaben für ihre Profis bezahlen. Die Athletinnen waren bisher als freie Mitarbeiterinnen der BSI Netto-Zahlungen von 3000 Mark monatlich gewohnt, Stars wie die Dänin Anja Andersen verdienten mehr.

Gestern abend konnte Poppke die Spielerinnen aber nur weiter vertrösten. Verhandlungen mit Sponsoren seien im Gange. Angesichts der ungewissen Zukunft könne er es aber niemandem verübeln, bei anderen Clubs anzuklopfen. Verträge mit anderen Clubs hätte aber noch keine Spielerin abgeschlossen, hieß es gestern.

Ob die Geldgeber sich von den Konzepten Poppkes und des sportlichen Leiters Hans-Herbert Ludolf überzeugen lassen, ist ungewiß. Drei Hauptsponsoren brauche der Club, so Poppke. Einer zumindest äußert sich skeptisch. Bisher habe man keine neuen Ideen gehört, wie Frauenhandball in Bremen künftig zu vermarkten sei, so Rolf Sauerbier, Sprecher von Kraft Jacobs Suchard. „Warum sollte Ludolf erfolgreicher sein als Eckhoff?“ Letzte Chance für Walle sei ein Krisengespräch bei Wirtschaftssenator Hartmut Perschau (CDU). Hier müsse deutlich gemacht werden, daß TuS Walle ein besonderes Bremer Anliegen sei, sagte Sauerbier. Ansonsten werde man den Sponsorenvertrag, der zum Saisonende ausläuft, nicht verlängern.

Perschaus Sprecher Frank Schaer wollte zwar eine Hilfe nicht ausschließen. Es könne jedoch nicht so sein, daß ein Verein, der Spitzensport anbietet und in finanzielle Schwierigkeiten gerät, grundsätzlich aus öffentlichen Kassen unterstützt wird.

Bremen war bereits großzügig: 200.000 Mark Wirtschaftsfördermittel waren bereits kurzfristig geflossen, weil die Waller Handballfrauen in der europäischen Champions League so wacker Bremens Image gepflegt hatten. Finanzsenator Nölle (CDU) hatte auf 150.000 Mark verzichtet und die Finanzämter angewiesen, die Steuerforderungen an den TuS erst ab Juli einzutreiben.

Während Poppke und Ludolf bei der Wirtschaft Klinken putzen, bleibt fraglich, ob der Verein überhaupt bereit ist, das finanzielle Risiko Bundesligahandball künftig direkt zu tragen. Auch für Poppke, seit 40 Jahren Walle-Präsident, kommt es nicht in Frage, die Existenz des Vereins zu gefährden. Schon in der Vergangenheit hatte es im Vorstand immer wieder nur sehr knappe Mehrheiten für den Spitzensport gegeben. Besonders die Vertreter der Turner unter den 2000 TuS-Mitgliedern waren stets skeptisch geblieben, als die Handballe-rinnen mit Unterstützung oftmals dubioser Sponsoren binnen weniger Jahre den Durchmarsch von der Nordseeliga in die europäische Spitze schafften. jof

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen