Der 360-Grad-Schwenk

■ Michael Ballhaus wird erster Kameraprofessor Deutschlands in Hamburg / Achtung Wüstenrottag: Der Bewerbungsschluß für seinen Lehrgang naht!

Den Kameramann vom Status des Handlangers emanzipieren und zum „Bildregisseur“ ausbilden: Das ist das Ziel eines neuen Lehrgangs innerhalb des Aufbaustudiums Film an der Universität Hamburg. Das Novum an diesem Projekt ist nicht nur dieser ambitioniertere Zuschnitt des Berufsbilds, sondern auch, daß es sich – anders als Ausbildungsgänge in Babelsberg oder Dortmund – an Leute mit zwei- oder dreijähriger Kameraerfahrung wendet. Sechs Kandidaten werden ausgewählt. Ihnen widmet sich Michael Ballhaus, der wohl bekannteste deutsche Kameramann, der bei Fassbinder und Bohm anfing und schließlich vor allem durch die Zusammenarbeit mit Francis Ford Coppola („Bram Stoker's Dracula“) und Martin Scorsese („GoodFellas“, „Age of Innocence“) einen Ruf auch in den Vereinigten Staaten erwarb. Ballhaus, der weiterhin in Los Angeles wohnen und den Großteil des Jahres arbeiten wird, erhielt die erste deutsche Filmprofessur für Kamera – und zwar mit Sponsoring durch die Firma Sony. „Das hat uns selbst überrascht“, erklärte Ballhaus, „aber damit ist die Ausbildung auch materiell abgestützt.“ Sony stellt dem Institut nämlich digitale Videokameras zur Verfügung, die das Drehen erschwinglich, aber trotzdem ästhetisch anspruchsvoll macht.

Wo sieht Ballhaus die wichtigsten Anfängerfehler? Er beschreibt den Studenten, wenn er sich nicht gerade direkt mit deren „Auflösungskonzept“ einer Szene auseinandersetzt, beispielsweise seinen Umgang mit der Schlüsselszene aus „The Fabulous Baker Boys“, also dem Moment, als Michelle Pfeiffer auf dem Piano vor Jeff Bridges herumrotiert. „Wir haben den ganzen Film sozusagen um diese Szene kreisen lassen. Ein klassischer Anfängerfehler wäre es, die Szene auseinanderzunehmen: Vom Publikum zu ihr, von ihr zu Bridges, an ihrem Körper rauf- und runterschwenken und dann wieder zu ihm – so würden das viele Leute machen, aber das ist konventionell und gibt einem keinen Gesamtüberblick über die Szenerie.“ Ballhaus' Spezialität ist hingegen, das wissen Scorsese- Fans inzwischen, der 360-Grad- Schwenk, der es erlaubt, die ganze Szene ohne Schnitte zu erfassen. Der typische Ballhaus-Walzer entsteht.

Natürlich ist dem Projekt „Aufbaustudium Film“ prompt wieder Elitebildung vorgeworfen worden; denn auch die anderen zwei Studiengänge „Drehbuch“ (Leitung: Peter Steinbach) und „Regie“ (Leitung: Hark Bohm) sind jeweils nur für sechs Studenten offen. Studenten können auf dem Gelände der Hamburger Zeisehallen nicht nur die Produktion eines Films vom Drehbuch bis zur Realisation verfolgen, denn die Nähe zur Hamburger Filmförderung, zu Verleihern, einer Mediathek, dem Hamburger Filmbüro und nicht zuletzt drei Kinos ermöglichen zugleich eine Vorstellung vom „Danach“. Mariam Niroumand

Bewerbungen für den im Wintersemester startenden Kamera- Lehrgang – zur Not auch ohne Hochschulabschluß – sind bis zum 19. April zu richten an: Aufbaustudium Film, Friedensallee 9, 22765 Hamburg, Telefon 040 - 4123 4143