Winzlinge im Sparsturm

■ Die Universität Hamburg schrumpft: Am Zentralen Fremdsprachen-Institut herrscht Sprachlosigkeit und das Institut für Phonetik dämmert im Koma

Die Uni wird zusammengekürzt, und jeder neue Jahreshaushalt läßt den HochschulpolitikerInnen die Haare ergrauen. Allen? Nein, manche haben beschlossen, den Sparzwang als Chance zu begreifen: „Seitdem wir wissen, daß ein Erhalt des Fachbereichs unrealistisch ist, wollen wir wenigstens die Fusion so schnell wie möglich durchsetzen.“ Immo Graf, Student des „reformierten“ zweiten Jura-Fachbereichs, erläutert, warum sein Studiengang nicht mehr zu retten ist. Als 1974 beschlossen wurde, daß die Universitäten allen Studierwilligen offenstehen sollen, ist der Fachbereich Rechtswissenschaft  II gegründet worden, um die juristische Ausbildung praxisnäher zu gestalten und sie den Erkenntnissen der Sozialwissenschaften zugänglich zu machen.

So sollte im Strafrecht nicht mehr nur für schuldig befunden, sondern auch über die Auswirkungen von Gefängnisaufenthalten nachgedacht werden. Seitdem gibt es zwei Jura-Fachbereiche: den größeren Fachbereich Jura  I mit rund 3500 Studierenden, an dem die traditionelle Ausbildung erfolgt, und den „Reformstudiengang“ Jura  II mit rund 1500 Studierenden.

„Die 1974 geschaffenen Professuren“, so Immo Graf, „laufen in ein paar Jahren aus.“ Die Stellen neu zu besetzen, dürfte angesichts der mageren Ausstattung unmöglich werden. Aber da die Ausbildungsreform nicht zusammen mit dem Fachbereich hops gehen soll, setzen die aktiven StudentInnen und die Profschaft an Jura  II nun auf eine schnelle Zusammenlegung, am liebsten noch zum Sommersemester 1997, um möglichst ungeschmälert den angestaubten Jura  I-Fachbereich aufzuwerten.

Die Frage „Zusammenlegen oder als Winzling erhalten“ stellt sich auch bei dem Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (ISW). Nicht sofort, aber im nächsten Jahrtausend läuft dort eine Professur aus, und die HistorikerInnen im Philturm hätten gegen eine Einverleibung des kleinen ISW nichts einzuwenden. Der Fachbereichsplaner Horst Stricker erläutert: „Über kurz oder lang müssen wir überlegen, ob wir nicht vielleicht nur noch einen Nebenfachstudiengang anbieten.“

Noch einen anderen Winzling wir es bald nur noch als Nebenfach geben: das Institut für Phonetik, Allgemeine Sprachwissenschaft und Indogermanistik, kurz IASI. Seitdem dort eine tragende Professur gestrichen wurde, dämmert das IASI bereits im Koma. „Noch ist das Institut nicht ganz tot“, tröstet Hartmut Halfmeier, Leiter der Uni-Verwaltung, „aber als Hauptfach werden wir es nicht aufrechterhalten können.“

Die Pensionierung einer einzigen Sekretärin droht zum Stolper-stein der Lateinamerika-Studien (LaSt) zu werden. Daß eine so kleine Maßnahme solche Konsequenzen haben kann, liegt an der besonderen Struktur dieses Nebenfachstudiengangs: Er ist „integrativ“. Es gibt keine eigenen LaSt-Veranstaltungen, sondern nur eine Kommission, die den Studiengang aus den Veranstaltungen anderer Fächer, zum Beispiel der Sprachen und der Geschichte des Subkontinents, zusammenschustert.

Die Verrentung der Sekretärin, die an der Arbeit dieser Kommission beteiligt war, lieferte deren Vorsitzendem, dem engagierten Hispanistik-Professor Klaus Meyer-Minnemann, den Anlaß, seinen Rücktritt von der LaSt-Koordination zu erklären. Jochen Bär, Fachbereichsplaner der Sprachwissenschaften, erklärt: „Das Fach bleibt unangetastet.“ Trotzdem bangt der Fachschaftsrat um das zarte akademische Pflänzchen: „Hier ist ohnehin alles kritisch, wir haben ja noch nicht einmal studentische Hilfskräfte“, sagt Fachschaftsrätin Astrid Windus.

Die Sprachkurse für Studierende aller Fachbereiche sind ebenfalls den Sparauflagen des Senats geopfert worden. 1,9 Millionen Mark Sparbeitrag muß der Fachbereich Sprachwissenschaften erbringen. Davon betroffen ist hauptsächlich das Zentrale Fremdsprachen-Institut (ZFI). Bisher konnten dort alle Studierenden Kenntnisse in verschiedenen europäischen Fremdsprachen von den Anfängen bis zur Fachsprache – Spanisch für Mediziner beispielsweise – erwerben.

Ab dem Wintersemester 1996/97 sollen sie nur noch dann in den Genuß kostenlosen Unterrichts kommen, wenn sie bereits über umfangreiche Vorkenntnisse verfügen. Die Grundlagen könnten sie sich in speziellen Uni-Kursen der Volkshochschule aneignen, so die Planung. Wenn der akademische Senat zustimmt, werden die DozentInnen von der Volkshochschule bezahlt und die Räume von der Uni gestellt. Für rund 170 Mark pro Semester dürfen dann ChemikerInnen, JuristInnen oder WirtschaftswissenschaftlerInnen Spanisch, Portugiesisch, Russisch, Englisch und Französisch büffeln. „Damit wird die Universität ihrem Auftrag nicht mehr gerecht, Lehrangebote kostenlos zur Verfügung zu stellen“, kommentiert Ulrike Bendrat vom AStA und fragt sich, ob hier nicht auf kaltem Wege das Prinzip der Studiengebühren eingeführt werden soll.

Aber vielleicht verordnen wir Europäer uns ja zur Einheitswährung auch gleich die Einheitssprache. Nur welche? Und wer soll sie uns beibringen?

Nele-Marie Brüdgam /

Iris Schneider /

Ulrike Winkelmann