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SanssouciNachschlag

■ Früher war alles beser: David Tabatsky in der UFA-Fabrik

Amor alias Tabatsky, räsonierend Foto: Thomas Aurin

Flupp! fliegt ein dünner Pfeil ins Publikum. Amor grinst zufrieden und spannt den goldenen Bogen aufs neue. Dann zieht er zwei verdatterte Menschen von ihren Sitzen, schubst dem Mann die Brille von der Nase und befiehlt einen Kuß. „Meschugge in Paradise“, das neue Soloprogramm von David Tabatsky, beginnt mit einem hübschen Einfall. Leider bleibt er der einzige.

Schon bald fläzt sich der Liebesgott in sein umwölktes Himmelbett und räsoniert zehenwackelnd über den Wankelmut der Liebenden und die Mühen der Ehe. Die alte Leier führt zwanglos zum ersten Paar überhaupt und schnurstracks ins Paradies. Ab jetzt stiehlt das eigene Kostüm dem Solodarsteller die Show: Als Adam trägt er einen fleischfarbenen Body mit einem allerliebst wackelnden aufgesetzten Genitalbereich, für die Rolle der Eva klettet er zwei Stoffbrüste an, die sonst am Hintern befestigt sind. Gott donnert vom Tonband, die Schlange zischt durch ein Loch im Baum und bringt Adam mit Versprechungen ewiger Potenz zum verhängnisvollen Apfelbiß. „Ojojoj!“ stöhnt der Psychiater, bei dem der erste Mensch schließlich landet. „Meschugge!“

Zu Tabatskys Stil gehört der ständige Rollenwechsel, begleitet von einem nicht enden wollenden Redestrom und unvermuteten Kommentaren vom Band. Aber diesmal wird die Show desto öder, je hektischer er von einem Ort zum nächsten springt: von der Psychiatercouch zum Moderatorensessel zu einer Berliner Imbißbude, auf den Baseballplatz und zurück in den Himmel. Zwischendurch spielt der Performer einen Fernsehprediger und jongliert mit Kreuzen und Äpfeln. Unübersehbar zieht sich so etwas wie ein roter Faden durch das Chaos, nämlich: Früher war alles besser. Nach dem Sündenfall muß Adam im Fernsehen den „Krieg der Woche“ wählen, Werbung für Shampoo machen und herzlose Jackpot-Gewinner interviewen. Fernsehen, erfahren wir einmal mehr, ist böse und zynisch, ist der dritte Sündenfall des Menschen nach dem Apfelbiß und der industriellen Revolution... Am Schluß der Show kommt Amor dann zurück und wiederholt den Gag vom Anfang. Wenn das das Paradies ist, wie mag dann erst die Hölle aussehen? Miriam Hoffmeyer

David Tabatsky: „Meschugge in Paradise“ (in englischer Sprache), bis 28.4., Mi.–So. 20 Uhr, UFA-Fabrik, Viktoriastraße 13

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