Geld, Macht und Doping

Heute vor hundert Jahren begannen in Athen die Wettkämpfe der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit. Eine etwas andere Chronik des IOC, Teil 1  ■ Von Jens Weinreich

1894, Juni: In der Pariser Sorbonne gründet Baron Pierre Frédy de Coubertin (Frankreich) das Internationale Olympische Komitee (IOC). Erster Präsident wird der Grieche Demetrios Bikelas.

1896, April: Die olympische Idee ist wiederbelebt: In Athen finden die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit statt, korrekt: die Spiele der I. Olympiade.

1896, April: Der Millionär George Averoff spendet den Stadionbau. Die Firma Kodak schaltet eine Anzeige im Programmheft und ist damit der älteste der noch im Rennen befindlichen IOC- Sponsoren.

1900, Mai: Bei den chaotischen Olympischen Spielen in Paris, die im Rahmen der Weltausstellung stattfinden und fünf Monate dauern, erhalten die Sieger Plaketten und teilweise beträchtliche Geldpreise.

1900, Oktober: Die Golfspielerin Margaret Abbott aus den USA holt als erste Frau einen Olympiasieg.

1905: Der amerikanische Präsident Theodore Roosevelt, Erfinder der „Big Stick“-Politik den anderen amerikanischen Ländern gegenüber, bekommt den ersten „olympischen Orden“ des IOC.

1908, April: In London werden erstmals bei Olympia Gold-, Silber- und Bronzemedaillen vergeben.

1908, Juli: Inspiriert von einer Predigt des Bischofs von Pennsylvania in der Londoner St. Paul's Cathedral, spricht IOC-Präsident Pierre de Coubertin den Satz: „Bei den Olympischen Spielen ist der Sieg weniger wichtig als die Teilnahme.“

1912, Juni: Pierre de Coubertin erhält bei den Sommerspielen in Stockholm für seine unter Pseudonym eingereichte „Ode an den Sport“ eine Goldmedaille bei den olympischen Kunstwettbewerben.

1913, Mai: Jim Thorpe (USA), dem Zehnkampf-Olympiasieger von Stockholm, wird wegen Verstoßes gegen die Amateurregeln die Goldmedaille aberkannt. Der Siouxindianer hatte 1911 für 60 Dollar Baseball gespielt. Thorpe, „der größte Athlet auf Erden“, wird lebenslang gesperrt.

1914: Präsident Coubertin präsentiert dem IOC zum 20. Geburtstag ein Symbol, dessen Vermarktung mehr als ein halbes Jahrhundert später Milliarden einbringen wird: die olympischen Ringe.

1916: Die an Berlin vergebenen Spiele der VI. Olympiade fallen dem Ersten Weltkrieg zum Opfer.

1920: Vermarktungserfolg: In Antwerpen wird das offizielle Programm durch Anzeigen finanziert.

1924: In Paris ist das erste und einzige Mal in der Geschichte Olympias Werbung in den Wettkampfstätten erlaubt.

1926, Mai: Das IOC erklärt auf seiner 25. Session in Lissabon nachträglich die Internationale Wintersportwoche von Chamonix (Januar/Februar 1924) zu den ersten Olympischen Winterspielen. Fortan finden Winter- und Sommerspiele im Vierjahresrhythmus statt. Zwischen 1908 und 1920 gab es Winterwettbewerbe im Rahmen der Sommerspiele.

1928, Mai: Deutschland nimmt erstmals seit 1912 wieder an Olympischen Spielen teil. 1920 und 1924 wurden die Deutschen nicht eingeladen.

1932, Juli: Der neunfache Olympiasieger Paavo Nurmi (Finnland) darf nicht an den Spielen in Los Angeles teilnehmen, weil er bei einem vorangegangenen Sportfest in Königsberg überhöhte Spesenforderungen gestellt haben soll.

1932, Juli: Bei den Olympischen Spielen in Los Angeles wird das Siegespodest eingeführt.

1936, August: Ernest Lee Jahncke (USA) wird aus dem IOC ausgeschlossen; er habe mit seinem Aufruf zum Boykott der Spiele in Nazideutschland „gegen die olympischen Interessen verstoßen“.

1936, August: Das Fernsehen hält Einzug. In den dafür hergerichteten Fernsehstuben beobachten 162.000 Menschen die Wettbewerbe an postkartengroßen Bildschirmen.

1936: Adolf Hitler läßt aus den Spielen der XI. Olympiade in Berlin und aus den 4. Olympischen Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen eine gigantische Propagandashow gestalten.

1938: Leni Riefenstahl erhält den olympischen Orden, die NS- Organisation „Kraft durch Freude“ wird mit dem olympischen Pokal ausgezeichnet.

1940: Die Olympischen Spiele fallen wie auch 1944 dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer.

1948, Juli: Das IOC schließt vier Mitglieder aus, die zu oft bei Vollversammlungen gefehlt hatten.

1948, Juli: Das Organisationskomitee der Spiele in London lehnt einen 3.000-Dollar-Scheck des BBC-Fernsehens für die Übertragungsrechte ab.

1952, Juli: Der 1932 brüskierte Wunderläufer Paavo Nurmi rächt sich am IOC und entzündet bei den Spielen in Helsinki die olympische Flamme.

1956, Februar: Die Spiele von Cortina d'Ampezzo werden als erste Winterspiele live im Fernsehen übertragen.

1960, Februar: Das IOC erschließt eine neue Geldquelle und kassiert erstmals Geld für die Fernsehübertragungen von den Olympischen Spielen. Präsident Brundage stolpert über ein Kabel und ärgert sich mächtig: „Wir werden auch die nächsten 60 Jahre ohne das Fernsehen auskommen.“

1960, August: Beim olympischen Radrennen stirbt Knut Ehemark Jensen (Dänemark) an Doping-Folgen. Jensen erhält posthum eine Goldmedaille.

1965, Oktober: Das IOC billigt der DDR eine eigene Olympiamannschaft zu – beide deutschen Teams müssen aber 1968 noch dieselbe Hymne, Fahne und die gleichen Embleme haben. Im Ärger über den Entscheid beschließt Willi Daume: Wir holen die Olympischen Spiele nach München.

1966: Das Eislaufpaar Marika Kilius/Hans-Jürgen Bäumler gibt aus Angst vor einer Sperre seine Silbermedaillen von 1964 an das IOC zurück, weil das Duo schon vor den Winterspielen 1964 einen Revuevertrag unterzeichnet hatte.

1968, Februar: IOC-Präsident Brundage hat für die Marketingpläne des adidas-Mannes Horst Dassler kein offenes Ohr. Am Rande der Winterspiele in Grenoble lehnt es Brundage ab, sich mit „einem Kaufmann“ zu treffen. Dassler gründet später die Vermarktungsfirma ISL und besorgt dem IOC Milliarden.

(wird fortgesetzt)