G., wie ER leibt und lebt

Eigentlich kennt man die Story ja schon. Aber seit Leo Kirch die Bibel verfilmen ließ, weiß man endlich auch, daß GOtt fließend Englisch spricht  ■ Von Willi Winkler

Im Grunde seines Herzens ist GOtt ein ziemliches Großmaul. Großartig seine Versprechungen, die Nachkommen Abrahams würden so zahlreich sein wie der Sand am Meer oder die Sterne am Himmelszelt, und dann schenkt er seinem ergebenen Diener, der genug damit zu tun hat, den starrköpfigen Heiden zu erklären, daß Monotheismus die Sache überhaupt sei, dann schenkt er Abraham auch nicht einen einzigen Sohn, der das verheißne Geschlecht in die weiteren Wege zeugte.

Wenn GOtt (für Sie und in Zukunft: G.) sich schon mal zeigt, Moses zum Beispiel am Berge Sinai, dann verkleidet er sich als brennender Dornbusch, aus dem es maxfrischmäßig herausgrübelt: „Ich bin, der ich bin.“ Was ja wohl eine ziemlich dreiste Ausrede ist, er will's nur nie gewesen sein.

Dem Pharao schickt er Plagen noch und nöcher, Schwären bedecken den Armen am ganzen Körper, und wenn man nicht ganz genau wüßte, daß diese angemalte Tunte gar kein Pharao ist, sondern der gute alte Maximilian Schell – man müßte um den todkranken Mann fürchten. Zuerst will G. Moses so eine Art BGB verkünden, und als Moses dann frischgekämmten Bartes den steilen Berg hinaufstrawanzt ist, hüllt, sich G. in Wolken, schmollt recht kindisch und tut so, als gehe ihm der ganze Bohai am Arsch vorbei. Schließlich läßt er sich dazu herab, zwei läppische Steintafeln mit Gesetzen zu beschriften, die jetzt gefälligst auf der Stelle zu befolgen seien. Als das Volk unten des langen Wartens auf den Code civil ein klein wenig überdrüssig wird und lieber einen G. zum Anfassen hätte, worauf Aaron schnell ein schnuckliges goldenes Kalb zusammenbaazelt, ist G. sofort schwer sauer und schickt seinem auserwählten Volk die Pest an den Hals, weil es sich nicht an die Gesetze hielt, die er oben am Berg eben aufmalte. Es ist ein rechtes Kreuz mit diesem G.

Leo Kirch und seine Produzentenbrüder in der Democrazia Cristiana haben sich zwar eines geistlichen Ratgebers versichert, aber das Alte Testament kommt trotz dieser gefriergetrockneten Fassung nicht recht in die Hufe. G. ist auch bei Kirch der bekannte unberechenbare Geselle. Manchmal spricht er im Säuseln des Windes, dann wieder im Donnern des Gewitters. Die Patriarchen, anmutig auf einen Stock gestützt, fürchten sich vor dem Donner und lassen ansonsten ihren Bart in der Windmaschine wehen. Wenn eigentlich eine Werbepause fällig wäre, geht die Sonne ein bißchen unter und bescheint einen einsamen Baum in der Wüste. Das ist dann die Armenbibel, wie sie auch analphabetische Focus-Leser verstehen.

Aus der Überlieferung war bekannt, daß G. ständig dazwischenquatschen muß, seit der 21teiligen Kirch-Bibel weiß man außerdem, daß er dabei fließend Englisch spricht. Der neue G. klingt aber wesentlich weniger angenehm als der alte G., mit dem Don Camillo immer Zwiesprache hielt. Ob G. am Ende doch nur ein amerikanischer Schauspieler ist?

Obwohl er sich so gern reden hört, macht er am liebsten den Deus absconditus, versteckt sich in den Sternen am Meer und im Sand am Firmament und grummelt aus allen Wolken. Wenn er einen schlechten Tag hat, stellt er sich blind und taub, weiß nichts von einem auserwählten Volk und den Wundern, die er an ihm zu vollbringen versprach. Dann wieder gibt er an wie zehn nackte Neger und zieht als Feuersäule vor seinem Volke her. Ein Nissan Patrol hätt's ja auch getan.

Und grausam ist er, zänkisch und eifersüchtig. Damit sein Volk sein Volk werden kann, muß es erst diverse Testläufe bestehen. Wenn sie nicht hundertpro nach seiner Tasse sind, die Brüder, macht er kurzen Prozeß mit ihnen. Empfiehlt Noah, der solle schnell eine Arche bauen, seine Familie reinpacken, nein, keine Fremden! Sondern bloß lauter Viehzeugs. Der Rest, grob gerechnet eine ganze Menschheit, wird ersäuft. Beim nächsten Mal läßt er Milde walten, vielleicht ist er auch bloß wählerischer geworden, und taucht das ägyptische Meer samt Streitwagen und Pharao ins Roterote Meer. Der liebe G.!

Als man es schließlich schon gar nicht mehr für möglich hält, wenn so eine richtige Glaubenskrise auszubrechen droht, bitte, dann kommt G. erst so richtig in Fahrt. Mit Sara, Abrahams Frau, ist nichts los, weil die kriegt einfach keine Kinder. Wie soll man da, fragt sich Abraham mit Recht, wie soll man da ein zahlloses Volk heranzüchten? Vater Abraham bringt ein gesundes Schaf nach dem andern zur Welt, schwarze, weiße, scheckige, bählammige und richtige Stinkstiefel, alles, was so ein alttestamentarisches Züchterherz höher schlagen läßt, aber zu Hause klappt es einfach nicht. Es ist zum Auswachsen mit diesem G.

Der hält ihn weiter hin. Abraham soll seine Magd Hagar befruchten, damit wenigstens irgendein Nachwuchs sich einstellt. Hagar gebiert, Abraham frohlockt, Sara schaut dumm. Aus pädagogischen Gründen wird noch Sodom & Gomorra in Schutt & Asche gelegt, weil die Kerle dort erst recht nicht gottgefällig zu zeugen verstehen, aber das nur nebenbei. Hagar hat ihre Schuldigkeit getan, jetzt erkennt der betagte Gatte wieder die Hauptfrau Sara, die endlich Isaak zur Welt bringt. Dafür wird die gottgefällige Kebse Hagar samt Kegel Ismael in die Wüste geschickt und kann sehen, wo sie bleibt. G., wie er leibt und lebt!

Als Isaak so aus dem Gröbsten raus ist und ein bißchen mittun darf bei dem, was die guten Patriarchen außer der Produktion eines großen Volkes am meisten beschäftigt, die Produktion von Schafen nämlich, als der kleine Isaak also ein bißchen schier geworden ist und eine gute Figur machen würde im Erstkommunionsanzügerl, hat G. es sich schon wieder anders überlegt. Aus heiterem Himmel verkündigt er seinem demütigen Knecht Abraham eine besonders frohe Botschaft: Belade deinen Esel mit Feuerholz, sagt er, nimm deinen Isaak, sagt er, schlepp sie beide in die Berge, dorthin, wo uns keiner zuschauen kann, sagt er glatt, und bring mir deinen einzigen und erstgeborenen Sohn zum Opfer dar!

„In einem solchen Augenblick“, heißt es bei Fritz Zorn, und wer will ihm widersprechen, „in einem solchen Augenblick müßte man Gott geradezu erfinden, bloß um ihm eins in die Fresse zu hauen.“

Oh God said to Abraham,

„Kill me a son!“

Well Abe says, „Where do you want

this killin' done?“

God says, „Out on Highway61.“Bob Dylan