■ Die MTA: Ein durch und durch weiblicher Beruf wurde 100
: Gewisses Maß an Stumpfsinn

Seit der ersten Röntgenaufnahme, die die Knochenhand der Gemahlin des Entdeckers der „X-Strahlen“, Wilhelm Conrad Röntgen, ablichtete, ist die – nichtakademische – Arbeit an den Durchleuchtungsgeräten bis heute fast ausschließlich in weiblicher Hand geblieben. Vor nun einhundert Jahren, genauer am 29. März 1896, verließ mit Paula Chelius die erste ausgebildete „Röntgen-Photographin“ den Berliner Lette-Verein „zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts“.

Den hatte 1866 der Jurist und liberale preußische Abgeordnete Wilhelm Adolf Lette für „höhere Töchter mit Licealreife“ (Realschule) ins Leben gerufen, weil er sich von seiner Tochter mehr versprach als nur ein Leben zwischen Küche und Kinderstube. Eine für alle. Fräulein Chelius fand Arbeit als „Röntgen-Schwester“ am Eppendorfer Krankenhaus in Hamburg. Sie ist die Urmutter der heutigen Medizinisch-Technischen Assistentinnen (MTA).

Die mit rund 50.000 Kolleginnen nach den Krankenschwestern stärkste nichtärztliche medizinische Berufsgruppe teilt sich heute in die militärisch anmutenden Sparten MTAR, MTAL, MTAF und MTAV auf. Die Endbuchstaben stehen für Radiologie, Laboratoriumsmedizin, Funktionsdiagnostik und Veterinärmedizin.

In den frühen Jahren war der Beruf schwer, die Beamten-, Gutsherren- und Industriellentöchter lebten ziemlich gefährlich. Viele starben an Strahlenschäden. 1908 wurde die krebserzeugende Wirkung der Röntgenstrahlen erkannt, und im Jahr darauf nahm die „Photographische Lehranstalt“ des Lette-Vereins auch männliche Schüler auf. Die sind bis heute aber eher Ausnahmen geblieben.

In einer Fachzeitschrift vom März 1996 heißt es: „Zusammenfassend ist festzustellen, daß der Arbeitsplatz der Röntgenassistentin charakterisiert wird durch die Komplexität von tpyisch weiblichen Eigenschaften, handwerklichem Geschick, gepaart mit physikalischen Kenntnissen und sogar einem gewissen Maß an Stumpfsinn zum Ausführen der Dunkelkammerarbeiten.“ Dem Text ist – jedenfalls für den Laien – leider nicht zu entnehmen, ob sich diese Charakterisierung nun auf die Vergangenheit und/oder die Gegenwart bezieht.

Nach Angaben des Lette-Vereins haben sich in den letzten 15 bis 17 Jahren die Berufsinhalte, die Qualifikationsprofile sowie die Eigenständigkeit der Medizinfachberufe grundlegend gewandelt. „Die MTA wird zwar noch immer auf ärztliche Anforderung tätig, doch erbringt sie ihren Teil von Diagnostik, Therapie oder sonstigen Versorgungsleistungen für die Patienten weitgehend eigenständig und unabhängig von den Feldern der ärztlichen Tätigkeit.“

Die inzwischen gesetzlich vorgeschriebene dreijährige Ausbildung je Fachrichtung des Berliner Vereins wird bundesweit als hochqualifiziert bewertet. Als Ziel bleibt aber die Wettbewerbsfähigkeit im inner- und außereuropäischen Raum sowie eine Statusanhebung. Der Verband Deutscher Technischer Assistenten (!) in der Medizin e.V. (dvta) fordert seit langem als Zugangsvoraussetzung zwölf (statt zehn) Schuljahre sowie die Ausbildung an einer Fachhochschule. Die 16jährigen Mädchen seien durch die medizinischen und naturwissenschaftlichen Lehrinhalte zum großen Teil überfordert, heißt es in einer Presseinformation. Das bestechende Gegenargument eines Ausbilders: „Wir geben uns die größte Mühe bei der Vermittlung von Stoff und Handwerk. Denn wenn wir selbst einmal krank werden, sehen wir unsere ehemaligen Schüler wieder ...“ Ulrich Zander