Vorzeitig aus dem Rennen geworfen oder schon nach einem Fehlstart disqualifiziert

Es gibt viele Orte, die von Arbeit, Arbeitslosigkeit und Zukunft erzählen, jeder Platz auf seine Weise. Eine Moschee im grauen Hinterhaus, ein Klassenzimmer im Weiterbildungsinstitut, ein Wohnzimmer in der ostdeutschen Kleinstadt, ein Berliner Jugendzentrum. Wir haben vier Menschen aufgesucht, die im Schatten der Arbeitsgesellschaft leben. Sandra N., Karin Lindner, Peter Krajczy und Yasar Yildiz sind vier von 4,3 Millionen. Doch arbeitslos ist nicht gleich arbeitslos. Wie erlebt das eine 24jährige Autonome, wie ein 58 Jahre alter Türke, wie eine alleinerziehende Mutter, wie ein Mikrobiologe?

Sandra N. ist eine von 529.062 Arbeitslosen unter 25 Jahren, die nie Gelegenheit hatten, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Entweder, weil sie noch nicht einmal eine Lehrstelle bekommen haben, oder weil sie nach der Ausbildung wieder auf die Straße gesetzt wurden. Sandra hat es fünf Jahre nicht sonderlich geschmerzt, ohne Ausbildungsplatz zu sein und nur ein bißchen schwarz zu jobben. Doch je höher die allgemeine Arbeitslosigkeit, desto größer die Angst, auch in Zukunft keinen Job zu finden. 1994 betrug die Arbeitslosenquote bei den unter 25jährigen im Westen 7,9 Prozent, ein Jahr später schon 9,1 Prozent. An der Spitze stehen mit 19,2 Prozent die westlichen Bezirke von Berlin.

Hier sind auch 27,8 Prozent derer, die keinen deutschen Paß haben, arbeitslos gemeldet. Yasar Yildiz, der 1970 aus der Türkei kam, war erst Kumpel im Pütt, danach arbeitete er viele Jahre bei der AEG. Seine Arbeit als Produktionshelfer haben mittlerweile Robotor übernommen. Fast eine Million Industriejobs werden bis zum Jahr 2010 allein in West- Deutschland wegfallen, prognostiziert das Institut für Arbeitsmarktforschung in Nürnberg. Yasar Yildiz führt ein tiefreligiöses Leben – seine Strategie, dem Leben ohne bezahlte Arbeit einen Sinn zu geben. Er ist eine Art ehrenamtlicher Sozialarbeiter der islamischen Gemeinde in Berlin- Neukölln. Soziologen würden ihn einen „proaktiven Arbeitslosen“ nennen.

Arbeitsmarktforscher prognostizieren blendende Aussichten für Biotechnologen. Peter Krajczy ist promovierter Molekularbiologe, aber er bekommt keine Chance. Einer von 7.451 arbeitssuchend gemeldeten Naturwissenschaftlern. Krajczy läßt sich weiterbilden zum Marketingberater, das soll auch ein Beruf mit Zukunft sein.

Auf der Seite der Verlierer steht Karin Lindner. Auch die Umschulung zur Industriekauffrau hat sie als alleinerziehende Mutter von drei Kindern für Arbeitgeber nicht attraktiver gemacht. Allein im Osten der Republik sind 403.243 Frauen arbeitslos, ein Viertel davon alleinerziehende Mütter.