Suharto setzt auf Atomstrom

■ Indonesien will seine Industrialisierungspläne mit Atomkraftwerken verwirklichen. Ein Interview mit Agus Dody Sugiartoto von der Umweltorganisation "Gita Pertiwi"

taz: Indonesien gehört zu den aufstrebenden asiatischen Nationen. Welche Bedeutung hat die Atomkraft in Ihrem Land?

Agus Dody Sugiartoto: Gegenwärtig gibt es in Indonesien noch keine Nuklearindustrie, der Energiebedarf wird durch Kohle, Gas, Öl und Wasserkraft gedeckt. Die Regierung strebt aber eine industrielle Entwicklung des Landes an und sieht einen stark steigenden Gesamtenergieverbrauch voraus. Die Kohlevorräte würden zwar für 200 Jahre reichen, aber die Regierung will damit sparsam umgehen. Deshalb plant sie, in den kommenden Jahren in Zentraljava zwölf Reaktoren mit jeweils 600 Megawatt Leistung zu errichten. Sie sollen dann etwa 23 Prozent des Strombedarfes decken. Zwischen 1998 und 2000 soll mit dem Bau begonnen werden, eine endgültige Entscheidung ist aber noch nicht gefallen.

Warum nutzt Indonesien nicht seine reichen regenerativen Energiequellen?

Ein Teil der Energie wird schon heute in Wasserkraftwerken erzeugt. Die erneuerbaren Energien Wind und Sonne befinden sich aber erst im Forschungsstadium.

Woher soll das Uran kommen, und wo soll der Müll bleiben?

Es gibt eine Mine in Westkalimantan, der größte Teil würde aber aus Australien kommen. Die Irian-Jaya-Inseln sollen als Endlager benutzt werden.

Wer soll die Reaktoren finanzieren, und wer will sie bauen?

Fest steht, daß die kanadische Regierung das Vorhaben mit finanziert und Mitsubishi als Investor auftritt. Es gibt Gerüchte über eine Beteiligung von Westinghouse und auch von Siemens. Die internationale Industrie hat großes Interesse, die AKWs bei uns zu bauen. Weil sie im Westen seit Jahren keine Aufträge mehr bekommt, ist sie in Panik und sucht in den Entwicklungsländern nach neuen Märkten.

Wie argumentiert Ihre Organisation?

Ein Argument sind natürlich die ökologischen Gefahren der Nuklearindustrie. Aber auch ökonomisch halten wir das Vorhaben für falsch. Es ist völlig unklar, wer die Kosten tragen soll. Pro Jahr müßte der Staat mindestens 4,5 Milliarden US-Dollar investieren. Dieses Geld würde bei der Entwicklung der indonesischen Wirtschaft fehlen. Im übrigen ist die Atomenergie definitiv nicht nötig. 25 bis 40 Prozent der Energie lassen sich in Indonesien einsparen. Vor allem die Düngemittel-, der Stahl- und der Zementindustrie arbeiten ineffizient.

Was sagt die Bevölkerung zu dem Nuklearprogramm?

Sie unterstützt insgesamt die Industrialisierungsbemühungen und damit auch das Vorhaben, die Energieproduktion zu erhöhen. Aber dafür zwölf Reaktoren zu bauen, da ist die Stimmung eher dagegen. Es wird als die allerletzte Möglichkeit angesehen.

Gibt es eine öffentliche Diskussion darüber?

Als die Atompläne bekanntgegeben wurden, haben sich verschiedene regierungsunabhängige Organisationen, religiöse Führer und Wissenschaftler dagegen ausgeprochen. Das wurde in den Zeitungen gedruckt.

Spielt Tschernobyl in der Debatte eine Rolle?

Tschernobyl ist lediglich an Universitäten des Landes Gegenstand der Diskussion. Die Elite befaßt sich also sehr wohl damit und ist informiert. Das kann man vom Rest der Bevölkerung nicht sagen.

Können die Atomgegner legale Oppositionsarbeit leisten?

Wirkliche Aufklärungsarbeit ist schwierig. Zwar kann sich die Opposition öffentlich äußern, auch im Parlament. Es ist aber offen, ob das irgendeinen Einfluß auf die Regierung haben wird.

Übt die Regierung Druck aus?

Die Regierung versucht, die Arbeit der Gegner zu unterminieren. Das ist relativ leicht, beispielsweise dürfen Veranstaltungen der Opposition nur mit Genehmigung der Regierung stattfinden. Weil entsprechende Versammlungen verboten werden, gibt es kaum Austausch unter kritischen Wissenschaftlern. Auch öffentlichkeitswirksame Aktionen und Demonstrationen werden untersagt. Am einfachsten ist die Arbeit noch an Universitäten oder im Rahmen von kulturellen Happenings. Wenn Verbote nicht beachtet werden, gibt es Festnahmen. Bisher ist von uns aber noch niemand im Gefängnis gelandet.

Haben Sie Verbündete?

Es gibt viele Zeitungen, die unsere Informationen unverfälscht weitergeben. Wir haben Abdurrahman Wahid (den Führer der liberalen muslimischen Bewegung NU; d. Red.) auf unserer Seite. Er ist ein sehr einflußreicher Mann. Auch die indonesische Demokratische Partei unterstützt uns.

Wie sehen Sie Ihre Chancen, die Reaktoren zu verhindern?

Das ist schwer einzuschätzen. Bislang entscheidet die Regierung allein. Doch die gesamte Entwicklung des Landes geht dahin, es demokratischer zu gestalten. Interview: Toralf Staud