Osterhase zerstört Jagodas Träume

■ Höchste Arbeitslosenzahl in einem Nachkriegsmärz – diesmal war's Ostern. Lehrstellenkrise steht bevor

Nürnberg (taz) – „Wenn der Himmel runterfällt, sind sowieso alle Spatzen tot.“ Für Bernhard Jagoda, den Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA), gibt es keinen Grund zur Schwarzmalerei. Auch nicht, wenn die gestern verkündete Zahl von 4,14 Millionen Arbeitslosen, die Ende März bei den Arbeitsämtern registriert waren, schon wieder einen Nachkriegsrekord darstellen. Seit 1948 waren in dieser Republik noch nie in einem März so viele Menschen ohne Job. In all der Düsternis orientiert sich Jagoda lieber an „kleinen Lichtern“: Die Zahl der Arbeitslosen ging gegenüber dem Februar um schlappe 129.200 zurück.

Fürwahr ein kleiner Lichtblick, wo sich doch schon die nächste Krise abzeichnet – die Krise auf dem Lehrstellenmarkt. Immer weniger Jugendliche haben eine Chance, einen Ausbildungsplatz zu bekommen; gleichzeitig schwinden die Chancen für Ungelernte auf einen Arbeitsplatz immer mehr dahin. Um der Krise Herr zu werden, appelliert der BA- Chef eindringlich an die Unternehmer, „betriebliche Lehrstellen zur Verfügung zu stellen. Wer den Standort Deutschland sichern will, muß in Ausbildung investieren“, so Jagoda.

Nach den Zahlen, die der Bundesanstalt für Arbeit aufgrund der bei den Arbeitsämtern gemeldeten Stellen und BewerberInnen vorliegen, sind die betrieblichen Ausbildungsplätze im Westen „noch knapper als im Vorjahr“. Im Osten der Republik hat sich das Verhältnis von Lehrstellen und BewerberInnen „in allen Regionen verschlechtert“. 58.000 gemeldeten Ausbildungsplätzen stehen 169.400 BewerberInnen gegenüber. Viele Unternehmen, so Jagoda, hielten sich aus Kostengründen mit der Einstellung von Auszubildenden zurück. Gleichzeitig stiegen die Schulabgängerzahlen deutlich – Jugendliche, die in den Vorjahren schon keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, träten erneut als BewerberInnen auf.

Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt ist nicht in Sicht, im Gegenteil. In den alten Bundesländern wird es bis zum Jahr 2007, in den neuen Ländern bis 2003 stetig steigende Schulabgängerzahlen geben. Die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe stagniert jedoch seit Jahren. Nur jeder dritte bildet derzeit Lehrlinge aus.

Um ein Desaster auf dem Lehrstellenmarkt zu vermeiden, fordert BA-Chef Jagoda von Betrieben und Verwaltungen „zusätzliche Anstrengungen“. Ein Hoffen auf die wie in den Vorjahren geschehene Bereitstellung von über- und außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen sei „keine Lösung“. Er erinnerte die Wirtschaft an ihre Zusage, die Ausbildungsstellen bis 1997 um zehn Prozent zu steigern.

Auch auf dem Arbeitsmarkt sieht es trotz des geringfügigen Rückgangs der Arbeitslosenzahlen alles andere als rosig aus. „Eine Trendwende ist das noch nicht“, kommentiert Jagoda das Sinken der Arbeitslosenquote von 11,1 Prozent im Februar auf 10,8 Prozent Ende März. Zum einen sei dies auf jahreszeitliche Gründe zurückzuführen, zum anderen sei die Abnahme schwächer als üblich. Saisonbereinigt ergibt sich eine Zunahme der Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vormonat um 25.000. Neben den altbekannten Gründen – der zu kalte März, die Rezession in der Bauwirtschaft und das Fehlen positiver Impulse aus dem verarbeitenden Gewerbe – hat die Bundesanstalt noch eine überraschende Erklärung für die „sich in Grenzen haltende Frühjahrsbelebung“ parat: die „ungünstige Lage von Ostern“. Wer wird denn Ende März noch Leute einstellen, wenn Anfang April schon der Osterhase kommt? Bernd Siegler

Kommentar Seite 10, Reportage Seite 11