Auf die Knie, fertig, los

■ Regierungskrise vertagt: Rot-Grau an Kompromiß vorbeigeschlittert, denn Voscherau kämpft weiter allein gegen alle und alles Von Silke Mertins

Bürgermeister Henning Voscherau blieb bockig. Fünf Stunden lang wurden gestern im Kooperationsausschuß die Argumente wiedergekäut. Dann beschlossen die Delegationen von SPD, Statt Partei und Senat, die Regierungskrise zu vertagen. Bis Freitag nächster Woche sollen Bezirks- und Stadtentwicklungs-Senator Thomas Mirow (SPD) und Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem (parteilos) einen Kompromiß mit dem Namen „Formulierungsvorschlag“ ausarbeiten und Seiner Majestät Henning Voscherau vorlegen.

Der kann dann auf dem SPD-Landesparteitag tags darauf einer widerspenstigen Gefolgschaft kundtun, was für ihn schon jetzt feststeht: Um die Stadt vor dem sicheren Untergang zu bewahren, muß er den Kompromiß zur Bezirksverwaltungsreform, die er dereinst selbst wollte, leider ablehnen.

Gestern drückte sich Voscherau erst einmal vor der Öffentlichkeit und schickte SPD-Parteichef Jörg Kuhbier als Optimismus-Beauftragten vor: „Es gibt eine Reihe von Annäherungsmöglichkeiten, auch wenn das Problem noch nicht abschließend gelöst ist.“ Die nicht minder rosig in die Kooperationszukunft blickende SPD-Fraktionsvorsitzende Elisabeth Kiausch will ebenfalls „atmosphärische Lockerungen, die hoffnungsfroh stimmen“, bemerkt haben.

Das sah der Gruppenchef der Statt Partei, Achim Reichert, entschieden anders. Es seien „ausgesprochen schwierige Verhandlungen“ gewesen, in denen sich Voscherau keinen Millimeter bewegt hätte. „Der Bürgermeister hat keinen Hehl daraus gemacht, daß er weiterhin erhebliche Zweifel an der Bezirksverwaltungsreform hat.“ Ob Voscherau dem Kompromiß, den seine Senatoren ausarbeiten sollen, zustimmen wird, sei „völlig offen“. Mehr als ein äußerst „zartes Pflänzchen Hoffnung“ sieht Reichert nicht, und ein rot-grauer Bruch sei „auf keinen Fall vom Tisch“.

Das Prinzip aufzugeben, eine Bezirksverwaltungsreform zu wollen, sei für die Statt Partei „indiskutabel“. Seine Partei sei „gegen jede Aushöhlung“ der Reformpläne. Die Marschrichtung laute Dezentralisierung; eine zentral gesteuerte Planung und Verwaltung müsse die Ausnahme sein. Über die Definition der Ausnahme – also wann der Senat eingreifen kann – ließe man mit sich reden.

Die Sorge des Bürgermeisters, daß die Einzelinteressen der sieben Bezirke jede vernünftige Politik verhinderten, sei berechtigt, nahm Kuhbier den Regierungschef in Schutz. „Es kann nicht sein, daß Partikularismus die Stadt beherrscht.“ Globalsteuerung werde es weiterhin geben. Dezentralisierung, um Effizienz zu steigern, sei sinnvoll, aber „auf der anderen Seite muß die Einheitsgemeinde gewahrt bleiben“.

Zwar ist auch die Mehrheit der SPD und des Senats für eine Bezirksverwaltungsreform. Doch dem Bürgermeister wollen sie die Entscheidung nicht abnehmen. Ihn um der Sache Willen zu überstimmen, kommt laut Kuhbier nicht in Frage. Am 23. April wird sich der Senat erneut mit einer Entscheidung versuchen.