Selbstbedienung in Gefahr

■ Studis attackieren „Sumpf der UKE-Hierarchie“ / Halb arbeiten, doppelt abkassieren / Abschaffung der Privatliquidation gefordert Von Uli Exner

Das Vokabular ist drastisch, die Vorwürfe nicht minder: „Lehrbetrug“, „Selbstbedienungsmentalität auf Kosten der Studierenden“, „Chefärzte-Sumpf“. Hamburgs MedizinstudentInnen rebellieren gegen ihre AusbilderInnen.

Auf Einladung der GAL angetreten zur Abrechnung gestern im Rathaus: Jene StudentInnen an der Eppendorfer Uni-Klinik, die im vergangenen Jahr in einer auch mit Professoren und Assistenten besetzten Kommission die Arbeitsmoral der UKE-Dozentenschar untersucht haben. Das Ergebnis: Nur die Hälfte der vorgeschriebenen Vorlesungen, Seminare, Praktika findet tatsächlich statt (siehe auch taz von gestern). Professoren und Privatdozentinnen schwänzen jede zweite ihrer Pflichtstunden. Inklusive jener Zeiten, die aufgrund nicht besetzter Lehrstühle (37 von 112) ausfallen, rechnete Promotionsstudentin Ute Watermann vor, finde gar nur ein Drittel der vorgesehenen Semester-Lehrstunden statt.

Die Folgen für die Studis sind fatal: Die Zahl der Hamburger StudentInnen, die bei der Ärztlichen Vorprüfung durchrasseln, lag in den vergangenen Jahren weit über dem Bundesschnitt. Während die UKE-Mediziner das miese Abschneiden bisher auf zu hohe Zulassungs-Zahlen schoben, drehen die Studis den Spieß nun um: „Wir sind nicht zu viele Studenten,“ sondern die Ärzteschaft vernachlässige die Lehre, widme sich statt dessen lieber der lukrativen Behandlung von Privatpatienten (siehe Kasten).

Kein Wunder, daß nicht alle Profs die Arbeit der Kommission mit Wohlgefallen betrachten. Bei der Untersuchung, berichten die Studenten, „haben wir den Sumpf der UKE-Hierarchie kennengelernt“. Dozenten, „die wissentlich die Unwahrheit sagten“, Unterrichtsnachweise vorlegten, „die sich bei näherer Überprüfung als völlig falsch darstellten“. Die meisten Institutsleiter, heißt es in einem Bericht der studentischen Kommissionsmitglieder, „verstrickten sich in ein Netz von peinlichen Widersprüchen“. Fazit dieses gar nicht standesgemäßen Benehmens: Die Professorenschaft bemerkte, daß „ihr Selbstbedienungsladen in Gefahr gerät, kontrolliert zu werden.“

Pikantes Detail am Rande: neben dem geschäftführenden Direktor der Chirurgie, Karl-Heinz Jungbluth, wird in dem Bericht ausgerechnet der neue Ärztekammerpräsident als Oberschwänzer geoutet. Frank-Ulrich Montgomery, so die Kommission, habe gerade mal 13 Prozent seiner Pflichtstunden abgeleistet.

Die Forderungen der Studis, ihrer Interpretation der Studie angemessen rabiat:

–Abschaffung des Privat-Behandlungs-Privilegs,

–Offenlegung der Finanzen am Fachbereich Medizin,

–Paritätische Mitbestimmung für Studierende in allen UKE-Gremien,

–Rückzahlung der zuviel gezahlten Dozenten-Gehälter zugunsten der Ausstattung der studentischen Arbeitsräume und der UKE-Bibliothek,

–disziplinarische Konsequenzen für die Professoren, die ihre Lehrverpflichtungen nicht eingehalten haben.

Dienstherr und Wissenschaftssenator Leo Hajen ließ gestern ankündigen, daß er den Vorwürfen nachgehen werde. Die Leitung des Universitätskrankenhauses will ihre Sicht der Dinge am Mittwoch verkünden.