Subtil ausgetanzt

■ Malersaal: Premiere von Bonds „Männergesellschaft“

Die Schlüsselszene ist die schwächste des ganzen Stückes. In ihr versucht der Lebensmittel-Kapitalist Hammond dem Waffen-Kapitalisten in spe Leonard Oldfield die gleichermaßen erotische wie historische Beziehung der beiden Sujets Krieg und Fressen und damit gleichzeitig seine Motivation für eine erpresserische Übernahme der Oldfield-Firma mit blumigen Visionen zu erklären. Trotz aller bemühter Bildlichkeit knarzt hier Edward Bonds anprangernde, politische Moral über das Nestlé-Konzept „Babynahrung und Splitterbomben“ martialisch aus dem Text und verlegt lehrerhaft Correctness-Pfade. Dabei erzählt Hammonds orthopädisches Schuhwerk genug über die Motivation des häßlichen Bullen, sich einen Panzer aus Stahl und Bonbons umzuhängen.

Würde man diese rhetorische Szene kürzen, könnte der Machtkampf um die Waffenfirma, den Bond in Männergesellschaft erzählt, mit kleinen Textkorrekturen auch in einem Erdnußbutter- oder Baukonzern spielen – die wesentlichen Unterschiede sind nämlich nicht besonders groß. Und das hat sich auch B.K. Tragelehn zu Herzen genommen, der einige Tage nach der deutschen Erstaufführung in Frankfurt das Stück im Maler-saal inszenierte. Denn abgesehen von einer Szene, in der ein neues Sturmgewehr als geiler Fetisch das Geschehen zentriert, erzählt der Regisseur eine zeit- und ortsungebundene Version von Machtgier, wie sie in allen Systemen dieser Welt vorkommt. Diese Befreiung von vordergründig moralischen Klischees (die der Ausstatter Dieter Klaß mit der größtmöglichen Reduktion auf Unabdingbares verlängert) stärkt das Stück und entfernt es von der Gefahr, mit dem subtilen Reiz, den Waffen auch auf ihre größten Verächter ausüben, eine Singularität herstellen zu wollen.

Damit gewonnen wird eine ungemein konzentrierte Dichte in der nuancierten Darstellung des intellektuellen Thrills. Der geistige Kampf unterschiedlich disponierter Persönlichkeiten um Sieg oder Niederlage, um Vertrauen und Macht gewinnt durch diese ungemein genaue Arbeit mit den Schauspielern eine Dimension, die den leeren Raum mühelos erfüllt. Markus Boysens in Gier erfrorenes Grinsen, das immer noch feine Spuren von Skrupel, Wahnsinn und Trauer anbietet, an die der gute Glaube sich klammern mag, oder Josef Bierbichlers weiche Bösheit, die die Zerstörung des Gegners geradezu väterlich und philosophisch betreibt, bieten kluge Analysen versessener Persönlichkeiten. Deren Verwerflichkeit wird nicht auf Schematas begründet – wie es dieses Stück stellenweise durchaus nahelegt – sondern wie mit einer Kompaßnadel ausgetanzt. Wo sie zur Ruhe kommt, bleibt bis zum Schlußdunkel offen. Kein Stück also für den Rezensenten des Deutschen Waffenjournals.

Till Briegleb