Voscherau warnt vor Mauseloch

■ Bürgermeister kontert Parteichef Kuhbier: SPD und Senat sind prima Von Uli Exner

Der Konter ließ nicht lange auf sich warten. Genau einen Tag, nachdem SPD-Chef Jörg Kuhbier Partei, Senat und Fraktion mit schonungsloser Kritik konfrontiert hatte, fanden die sozialdemokratischen Bürgerschaftsabgeordneten am Mittwoch in ihren Rathaus-Schließfächern ein Zettelchen, dessen Inhalt sich so zusammenfassen läßt: Die Hamburger SPD ist klasse in Form. Absender: Dr. Henning Voscherau, Erster Bürgermeister.

Wörtlich heißt es in dem Brief, an den eine neunseitige Leistungsbilanz des rotgrauen Senats geklammert ist: „Wer sich die beigefügten bisherigen Ergebnisse unvoreingenommen durchliest, findet nicht Stau, sondern Leistung: eine sachkundige Partei mitten bei der Arbeit.“ Und mit deutlichem Seitenhieb auf Kuhbier: „In der Sache besteht kein Anlaß, sich selbst ins Mauseloch zu predigen.“

Das hatte Kuhbier auch gar nicht vor. Im Gegenteil. Der Parteichef wollte die unvoreingenommene Beschreibung (taz berichtete) des sozialdemokratischen Status quo – „die Hamburger SPD ist nicht gut in Form“ – als Auftakt zu einer Diskussion nutzen, an deren Ende die Genesung der SPD als „große linke Volkspartei“ stehen sollte.

Mittel zum Zweck unter anderen: Das Verhältnis zwischen Senat und Partei müsse „entkrampft“, die Beschlußlage der Partei mit dem Senatshandeln stärker zur Deckung gebracht und das übliche Regierungsverfahren – „entscheiden, verkünden, verteidigen“ – von einem für Parteibasis und Öffentlichkeit transparenteren Procedere abgelöst werden.

Für Voscherau scheinbar ziemlich überflüssige Forderungen. Rund 80 Punkte hat der Senatschef im Anhang seines Briefes aufführen lassen, um zu beweisen, daß der Senat eifrigst „an der Umsetzung unseres Wahlprogramms“ arbeitet. Genannt werden vom Ausbau des Sielnetzes über die bevorstehende Umweltverträglichkeitsprüfung zur Elbvertiefung und den Bau der vierten Elbtunnelröhre bis zur Vorlage des „Altenheimbedarfsplans 2000“ sämtliche Grundsatzentscheidungen, Zwischenschritte und -schrittchen, die Hamburgs Verwaltung im vergangenen Jahr so getätigt hat. Auch die Senats-Entscheidung für den Transrapid wird aufgeführt, ungeachtet der Tatsache, daß die recht deutlich gegen das Wahlprogramm („Ausbau der Schienenverbindung Hamburg - Berlin“) verstößt.

Bemerkenswert allerdings ein winziger Beweis bürgermeisterlichen Entgegenkommens. Stichwort: transparentere Entscheidungsfindung. Thema: Schulgesetz. Hatte Voscherau das Vorgehen seiner Schulsenatorin Rosi Raab – erst öffentlich diskutieren, dann entscheiden – bisher stets gerügt, nahm er es nun gnädig in seine Leistungsbilanz auf. Und vermerkte fast stolz, daß Raabs Vorlage „eine breite bildungspolitische Debatte angeregt hat“.