Vorschlag

■ Vier Choreographien heute abend in der Komischen Oper

Einmal Nijnsky tanzen sehen. Es dürfte wohl kaum noch einen lebenden geben, dem dieses Glück vergönnt war. Mittlerweile ist es 80 Jahre her, daß Nijnsky, geistig verwirrt, in ein Sanatorium eingeliefert werden mußte, nie wieder richtig gesundete und 1950 schließlich starb. Durch reinen Zufall steht derzeit eine Nijnsky-Reflexion auf dem Programm der Komischen Oper. Eigentlich sollte „Romeo und Julia“ gegeben werden am Ostersonntag im Haus in der Behrenstraße, aber dann wurden gleich zwei Ballerinen krank, und man wählte ersatzweise vier Perlen aus dem Repertoire. Unter anderem Gregor Seyfferts Solo „Clown Gottes“, in dem der Tänzer mutigerweise nicht nur den geistig erkrankten Nijnsky gibt, sondern dazu auch noch Strawinskys monumentales „Le sacre du printemps“ wählte. Gregor Seyffert, der das Stück mit seinem Vater Dietmar Seyffert einstudierte, nimmt den Wahnsinn als Ort, von dem aus er überlieferte Bewegungselemente Nijnskys aufgreift: ein kranker, zuckender Leib, der versucht, im Tanz seiner selbst gewahr zu werden, sich an sich selbst zu erinnern. Seyffert sind bewegende Momente gelungen, auch wenn die Musik für ein Solo etwas bombastisch wirkt.

„Bruieheath“, eine frühe Arbeit von Ballettdirektor Jan Linkens (uraufgeführt 1989 in Paris), spielt mit Elementen eines irischen Wettbewerbstanzes: Zwei Männer, die sich überbieten wollen und schließlich doch lieber mit- als gegeneinander tanzen. Solche Skrupel kennt der Choreograph Robert North nicht. Seine „Troy Games“ bieten eine witzige und äußerst energiegeladene Persiflage auf männliches Konkurrenzgehabe, fernöstliche Kampfkünste und Vereinsmeierei. Acht halbnackte Männer, nur von einer Frage getrieben: Who is the best?

Das älteste, leiseste und einzige Stück, in dem auch Frauen tanzen, ist zugleich das schönste. In Tom Schillings „Abendliche Tänze“ zeigen Jutta Deutschland und Dieter Hülse zu Schubert- Musik ein zartes, mit komplizierten Hebefiguren ausgestattetes Pas de deux. Und da Ballerinen nicht von einem Tag auf den anderen wieder gesund werden, präsentiert die Komische Oper auch heute statt der angekündigten „Wahlverwandtschaften“ diesen empfehlenswerten Kurzprogramm-Abend. Michaela Schlagenwerth

Heute, 19.30 Uhr, Komische Oper, Behrenstraße 55, Mitte