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Wan Songkran

■ ...ist thailändisches Neujahr, das am 13. April gefeiert wird. Und es ist eine einzigartige, ausgelassene Wasserschlacht

Der April ist der heißeste Monat in Thailand. Die Hitze steht in den Straßen und flimmert über den trockenen Feldern. Der 13. ist für uns Europäer ein Tag, der Fallstricke und Stolpersteine verspricht. Zwei gute Gründe, besser nicht vor die Tür zu gehen. Aber natürlich tut man es doch. Was soll schon passieren an einem 13.?

Der Gedanke schwingt noch nach, gerade sind erst ein paar Schritte getan (vielleicht hat man vorher ein leichtes Kichern über die Schulter gehört), als ein silbrig- heller Schwall von Wasser kurz in der Luft aufblitzt und Kopf und Körper trifft. Das war kein Zufall, das war gezielt. Als der Schreck nachläßt und der Blick unter dem triefenden Wasserfilm sich wieder klärt, sieht man in die lachenden Gesichter junger Thais, selber naß bis auf die Haut, die Schalen bereits wieder gefüllt für den Angriff auf das nächste Opfer.

Es ist Songkrantag, das traditionelle thailändische Neujahr. Songkran ist ein Wort aus dem Sanskrit und bezeichnet den Wechsel der Sonne vom Tierkreis der Fische in das Haus des Widders. Nach der indischen Mythologie formten die sieben Töchter des Brahma eine Songkranjungfernprozession, in der sie das abgetrennte Haupt des Gottes um die Erde trugen. Dieser hatte seinen Kopf gesetzt in einem Wettstreit gegen einen Jüngling. Als er unterlag, enthauptete sich Kabila Brahmas selbst. Das göttliche Haupt war aber glühend heiß. Es durfte weder die Erde, die es verbrennen, noch die See berühren, die es austrocknen würde. Um die Welt zu retten, verschlossen die Töchter das Haupt im Berge Krailas. Nur einmal jährlich, am Songkrantag, tragen sie es feierlich aus.

Wenn auch seit einem halben Jahrhundert in Thailand das internationale Kalenderjahr gilt, gehört das Songkranfest nach wie vor zu den wichtigsten Ereignissen im Jahr. Kein Element ist den Thais so heilig wie das Wasser. Es ist lebensspendend und reinigend. Die Sünden des vergangenen Jahres werden fortgewaschen.

Songkran ist gleichzeitig die Neubelebung der Familienbindungen. Die Jungen übergießen die Handflächen der Alten mit wohlriechendem Wasser als Symbol des Respektes und der Verehrung und werden dafür mit Segenswünschen bedacht.

Am thailändischen Neujahr werden religiöse Verdienste erworben. Sei es, daß man der fortgegangenen Seelen gedenkt oder Fische und Vögel freiläßt. Oder man reicht den Mönchen in den Tempeln Speisen oder Gaben. Die jeweils wichtigen lokalen Buddha- Bildnisse werden durch die Straßen getragen, damit die Gläubigen den Reinigungsritus vollziehen können.

Heutzutage, zumal in den Städten, ist das Songkranfest zu einer Mischform aus religiöser Übung und enthusiastischem Volksfest geworden. In Chiang Mai, im Norden des Landes, ist es am buntesten, am lautesten, am nassesten.

Die Thais tragen die traditionelle dunkelblaue Kleidung, Paraden ziehen durch die Straßen, Brahmas moderne Töchter stellen sich Schönheitswettbewerben. Aus den kleinen Schälchen mit duftendem Wasser, das man nur tröpfchenweise versprengte, sind Gartenschläuche und Wassereimer geworden. Hektoliterweise wird das Wasser in Tonnen auf den Ladeflächen der Pickups als Munitionsvorrat transportiert. Jeder, ob alt oder jung, Thai oder Ausländer, ist in die Wasserschlachten verwickelt. Wer nicht nur Opfer sein will, kann sich am Straßenrand gefüllte Wassereimer für ein paar Pfennige kaufen und seine eigenen Neujahrsgrüße ausschicken. Drei Tage lang toben sie sich aus, ohne Konflikt, ohne Mißklang, ohne Aggression. Danach verdunstet die Nässe unter der heißen Aprilsonne. Dieter Schwerdtle

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