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Millionenbuße bleibt aus

■ Für zu viel Werbung müssen saftige Bußgelder gezahlt werden – theoretisch

Es geschah am 8. Juni. In der Glotze lief „Schreinemakers live“, Margarete hatte sich zu vorgerückter Stunde so richtig festgeplaudert, da begann die verhängnisvolle Werbepause. 13 Minuten und 3 Sekunden lang berichtete das Fernsehgerät nicht mehr über Schicksale von Babywäschefetischisten, sondern über Vorzüge des Homebanking und der neuesten Schumi-Gedenkmünze. Damit hatte der private Fernsehsender Sat.1 63 Sekunden zu lange geworben. Kein Einzelfall: Mal streckte der Kirch-Kanal den Werbeblock im Spielfilm „Caddyshack“ um fast zwei Minuten, mal wurden bei „Raumschiff Enterprise“ oder im „Schwurgericht“ zu viele Spots gesendet.

Die zuständige Landeszentrale für private Rundfunkveranstalter in Rheinland-Pfalz registrierte, prüfte und schickte Bußgeldbescheide. Am 4. März meldete dpa: „Zu viel Werbung: Millionenbuße für Sat.1.“ Endlich Gerechtigkeit für spot-allergische FernsehzuschauerInnen? Fehlanzeige. 1,14 Millionen Mark Buße wegen Überschreitung der zulässigen Werbezeiten soll Sat.1 bezahlen, überwiesen ist bisher kein Pfennig.

„Innerhalb eines Einstundenzeitraumes darf die Spotwerbung 20 von Hundert nicht überschreiten“, schreibt Paragraph 27 des Rundfunkstaatsvertrages vor. Verstöße können mit Geldbußen bis zu 500.000 Mark geahndet werden. Mit der Strafe soll der durch die überzähligen Werbeminuten erwirtschaftete Mehrgewinn abgeschöpft werden, dazu kommt noch eine saftige Bearbeitungsgebühr. Die Regel ist eindeutig. Warum zahlt der Privatsender dann nicht?

Kristina Faßler, Unternehmenssprecherin von Sat.1: „Wir haben zwar die Werbezeit überschritten, aber keinen zusätzlichen Gewinn gemacht.“ Bei Liveübertragungen, speziell von Sportveranstaltungen, könne es vorkommen, daß überzogen wird. Dadurch verschiebe sich der Sendeplan, bei Spätsendungen häufen sich dann die Werbespots. Faßler: „Sollen wir aus einer Übertragung ausblenden, nur damit wir den Werbeblock noch rechtzeitig unterbringen? Das wäre sicher nicht im Sinne der Zuschauer.“

Sie hält den Rundfunkstaatsvertrag für praxisfern. Denn schließlich verbreite der Sender über den Tag gerechnet nicht mehr Werbung als erlaubt, sondern nur ausnahmsweise und unbeabsichtigt zum falschen Zeitpunkt. Peter Behrens von der Landeszentrale für private Rundfunkanbieter (LPR) hält dagegen: „Es muß eine Regelung zur Abschöpfung der Einnahmen geben. Sonst zahlen die Privatsender Peanuts an Bußgeldern und machen dann wie gewohnt weiter.“

Auch Pro7 hatte in der Vergangenheit Probleme mit den Werbezeiten. 315.270 Mark sollte der Spielfilmsender bezahlen, weil er im Mai 1994 den Schinken „Born to fight“ zu häufig unterbrochen hatte. Nach Auffassung der Kieler Unabhängigen Landesanstalt für das Rundfunkwesen (ULR), damals noch für den Kanal zuständig, hätte Pro7 in diesen Film nur eine Werbepause einlegen dürfen, gesendet wurden drei Werbeblöcke. Pro7 beruft sich auf eine Ausnahmeregelung. Mehrere Unterbrechungen sind erlaubt, wenn der betreffende Film in einer Reihe ausgestrahlt wird. „Born to fight“ sei Teil der Eastern-Karatereihe „Born to fight I–IV“. Die ULR meint dagegen, die Filme hätten weder „inhaltliche Verknüpfungen“ noch ein gemeinsames Produktionskonzept. Daneben laufen noch andere Verfahren gegen Pro7, die, ähnlich Sat.1, auf die Einstundenregelung zurückgehen. Oliver Castendyk, Justitiar von Pro7: „In seltenen Fällen kann es auch bei Pro7 durch ein Versehen oder technisches Versagen zu Verstößen gegen Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrages kommen.“ Derweil wird bei beiden Privatsendern die Zahlung des Bußgeldes verweigert und eine Klärung vor Gericht abgewartet. Wenn die Gegner durch die Instanzen gehen, wird es noch Jahre dauern, bis eine Entscheidung gefallen ist. Einzige Waffe der Landesmedienanstalten im Kampf gegen zu viel Werbung bleibt bis dahin der Versand von Pressemitteilungen. Stefan Kuzmany

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