An der Nadel und hinter Gittern

■ Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem über Drogenpolitik im Knast: Der Spagat zwischen Fürsorgepflicht, Aidsprävention und Drogenbekämpfung

taz: Herr Hoffmann-Riem, Sie sind heftig dafür kritisiert worden, daß Sie Spritzenautomaten nicht im geschlossenen, sondern im offenen Vollzug einführen, wo man sie eigentlich gar nicht braucht.

Wolfgang Hoffmann-Riem: Die Kritik ist unberechtigt. Auch im offenen Vollzug sind Spritzen nicht leicht verfügbar. Die Zahl der Drogenabhängigen aber ist dort noch größer als in den meisten geschlossenen Haftanstalten.

Aber die Expertenkommission zu Drogen in den Haftanstalten, die die Justizbehörde selbst eingesetzt hat, forderte, Spritzenautomaten in der geschlossenen Anstalt Santa Fu einzuführen.

Die Kommission hat in einer Fußnote gesagt, daß sich die Anstalt II in Fuhlsbüttel dafür gut eignet, weil sich die Bediensteten aufgeschlossen gezeigt haben. Das aber allein reicht nicht, um ein so schwieriges Experiment verantworten zu können.

Sie wollen den Versuch auch wissenschaftlich begleiten lassen. Was versprechen Sie sich davon?

Es soll analysiert werden, ob sich das Drogenverhalten im Knast durch Spritzentausch verändert. Zum zweiten, wie man verhindern kann, daß die Vollzugsbeamten in unlösbare Rollenkonflikte geraten. Und drittens, ob das Hauptziel, die Gesundheitsprophylaxe, erreicht wird.

Sie haben angekündigt, daß Sie für Substituierte, die aus einem Schamgefühl heraus nicht unter Aufsicht ihre Urinprobe abgeben können, etwas tun wollen. Wie weit ist die gute Absicht gediehen?

Die Urinproben für Substituierte sind nicht als Schikane eingeführt worden. Bei der Substitution muß man die Art und Menge des Beikonsums kennen, um die Gefahr von Überdosierung zu verringern.

Aber den Sinn von Urinproben hat niemand in Frage gestellt, sondern die unsinnige Häufigkeit sowie das Pinkeln unter Aufsicht.

Weil die Gefangenen wissen, daß es für sie Konsequenzen haben kann, wenn sie mit einem positiven Ergebnis erwischt werden, versuchen sie, die bei der Kontrolle zu täuschen. Für diejenigen, die schambesetzt sind, muß aber tatsächlich eine andere Möglichkeit als die unter Sichtaufsicht geschaffen werden. Wir wollen außerdem die Zahl der Urinkontrollen auf das unabdingbare Maß reduzieren.

Die Substitutionsärzte außerhalb des Knasts müssen genauso Beikonsum verhindern. Allerdings finden Urinproben nur einmal die Woche und keineswegs unter den Augen der Sprechstundenhilfe statt. Wie erklären Sie sich das?

Diese Ärzte tragen nicht die gleiche Verantwortung. Außerhalb der Haftanstalten können Ärzte gar nicht die Verantwortung dafür übernehmen, daß kein Beikonsum stattfindet. Im Knast gibt es eine besondere Fürsorgepflicht. Das sind andere Maßstäbe.

Trotzdem war die Auskunft aus der Justizbehörde an die taz, Heroin sei nur am gleichen Tag im Urin nachweisbar, grob falsch.

In den Haftanstalten wissen alle Verantwortlichen, daß Heroin länger nachweisbar ist. Der Urin wird ja auch nur einmal, höchstens zweimal wöchentlich kontrolliert.

Der Hamburger Methadonvertrag ist ausgelaufen. Werden Sie sich im Gefängnis nun nach den NUB-Richtlinien richten?

Die gelten dort nicht. Wir versuchen weiterhin, dort zu substituieren, wo es den Betroffenen einerseits hilft, mit ihrer Krankheit fertigzuwerden. Auch kann Substitution die Drogenkriminalität, die es ja auch in der Haft gibt, und die gesundheitlichen Schäden reduzieren. Wenn ein Abhängiger die Substitution will und wir es personell leisten können, versuchen wir, werden wir helfen.

Fragen: Silke Mertins