Kondome weiter gefragt

■ Zehn Jahre Aidsberatung in Bremen: Erfolge, Mängelbehebung, Existenzbedrohung

Vor zehn Jahren wurde offiziell und professionell, was auch vorher schon stattgefunden hatte: Aidsberatung in Bremen. Bis dahin berieten die Mitarbeiter im Bremer Rat-und-Tat-Zentrum für Homosexuelle, im Gesundheitsamt und in der Aids-Hilfe in Eigenregie, ab 1986 taten sie es gemeinsam. Heute sprechen die Beteiligten stolz von der „Bremer Linie“, dem konsequenten Durchhalten und der Garantie von Anonymität bei Aufklärung und Tests. Doch Aidsberatung ist kein Thema, das für ein Resümee geeignet wäre: „Die Arbeit ist und war bedroht“, sagt Bernd Thiede vom „Rat-und-Tat“.

Im Jubiläumsjahr sind es finanzielle Kürzungen – Anfang und Mitte der Achtziger hieß die Bedrohung vor allem Unwissenheit und Vorurteile. Bernd Thiede erinnert sich an geflügelte Worte wie „Schwulenpest“ und die „Strafe Gottes“ und daran, wie er und sein Mitarbeiter Marcus Kaminski im Keller des Rat-und-Tat-Zentrums die ersten Gespräche mit schwulen Männern führten. Als Vertreter einer der sogenannten Risikogruppen fühlte man sich stark mitverantwortlich.

Auch dies war eine Besonderheit aus der Entstehungszeit der Bremer Aidsberatung, die bis heute ein wichtiger Stützpfeiler geworden ist: Die Zusammenführung von Betroffenengruppen und gesundheitspolitisch eingesetzten Beratungsstellen. Das möchte auch Felicitas Jung vom Bremer Gesundheitsamt gern positiv bilanzieren. „Wir haben die gemeinsam erarbeiteten Kernaussagen der ,Bremer Linie' festgeklopft. Daß das bundesweit einmal mitgetragen würde, war nämlich anfangs überhaupt nicht klar.“ Schon 1987 hatte Bremen den Alleingang in der anonymen Beratung im Senat verabschiedet und eine Meldeplicht, wie sie Bayern damals propagierte, gar nicht erst ernsthaft erwägt .

So stärkte man sich gegenseitig den Rücken und verbucht heute kleine Erfolge: Die Aids-Hilfe konnte einen eigenen Pflegeverband aufbauen. Die Behandlungsstandards in Arztpraxen und Krankenhäusern wurden re-etabliert. Gesundheitsamt und Aids-Hilfe erweiterten das Beratungsangebot auf Frauen, Junkies, Heterosexuelle. Zwar sei die Zahl der sich neu infizierenden Bremerinnen inzwischen gleichbleibend. Doch die Zahl der Erkrankungen werde in den nächsten Jahren nicht zurückgehen. Rund 100 bis 130 HIV-Infizierte und Aids-Kranke betreuen etwa „Rat-und-Tat“ und das Gesundheitsamt im Jahr; nur über die Betreuungen sind auch konkrete Zahlen auszumachen.

Es sei etwas stiller um Aids geworden – doch man habe es nur mit einer scheinbaren Normalität zu tun. Das Standbein Prävention kommt ins Schwanken, denn allen Einrichtungen der Aidsberatung stehen Kürzungen bevor. (Nachdem letztes Jahr der Gesundheitssenator jegliche Unterstützung für das Rat-und-Tat-Zentrum und die Aids-Hilfe streichen wollte.) Doch das Verteilen von Faltblättern und Kondomen hat sich mit den Jahren nicht erübrigt, sondern muß ausgebaut werden. Die Aids-Prävention muß in die Schulen. Die Ausbildung von ehrenamtlichen HelferInnen muß garantiert werden. Aidsberatung wird auch in Zukunft Mängelbehebung bedeuten. Helmut Koch, Vorstand des Rat-und-Tat-Zentrums, wünscht sich etwa eine HIV-Ambulanz mit entsprechend qualifizierten Notärzten. sip

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