Höllenlärm statt Erholung im Bayerischen Wald

■ Tornado-Piloten sollen in nur 60 Meter Höhe außerhalb der Tiefflugkorridore neue Triebwerke testen – Parlamentarier sind überrascht vom „hinterfotzigen“ Vorgehen

Nürnberg (taz) – Bundeswehr-Tornados, die nur sechzig Meter über dem Erdboden mit knapp 1.000 Kilometern pro Stunde über das Erholungsgebiet düsen – für dieses Technoerlebnis im Bayerischen Wald sorgt das Verteidigungsministerium. Es will vier Wochen lang ein neues Triebwerk des Jets testen und hat, um ungestört von Protesten zu bleiben, nicht einmal die zuständigen Landräte und Bürgermeister von den Flügen außerhalb der Tiefflugkorridore informiert.

In einem sechs Kilometer breiten Korridor von Tittling im Landkreis Passau über Deggendorf nach Nabburg in der Oberpfalz sollen Tornado-Piloten unter extremen Bedingungen bis zu 25 Flüge in der Mindestflughöhe des Jets absolvieren. Der Test in der Nähe zum Luftwaffenstützpunkt Manching sei billiger als über den Wäldern Kanadas, begründet das Pressezentrum der Luftwaffe in Köln in der Passauer Neuen Presse das Vorhaben. Selbst der Passauer CSU-Abgeordnete Klaus Rose, immerhin Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Bundestags, zeigt sich irritiert und will die Tiefflüge morgen im Ausschuß diskutieren. Er selbst habe jedenfalls von nichts gewußt. Zudem sei der untere Bayerische Wald aus den Tieffluggebieten bewußt ausgeklammert worden. Schon Ende 1994 wollte der Stadtrat von Nabburg grundsätzlich gegen Tiefflüge intervenieren, mußte sich jedoch sagen lassen, er sei nicht zuständig, da das Gebiet der 6.300-Einwohner-Stadt in der Oberpfalz nicht betroffen sei. Gestern abend trafen sich Tieffluggegner im oberpfälzischen Nittenau bereits zu einer Protestdemonstration.

Der niederbayerische SPD-Verteidigungsausschußmitglied Robert Leidinger forderte inzwischen Verteidigungsminister Volker Rühe auf, die Flüge sofort auszusetzen. Mit solchen „Nacht- und Nebelaktionen am Parlament vorbei“ dürften keine „Freibriefe für die Zukunft“ geschaffen werden. Laut dem Büro von Leidinger hat die Bundeswehr einige Teststrecken in der Schublade liegen. Sie sind meist nicht öffentlich bekannt und können vom Verteidigungsministerium zum Beispiel für Testflüge der Triebwerksbauer MBB/Dasa freigegeben werden. Wer auf der politischen Ebene der Hardthöhe die neuen Tiefflüge genehmigt hat, soll sich am Mittwoch im Ausschuß zeigen.

Emma Kellner, Landtagsabgeordnete der Grünen aus Landshut, will von Ministerpräsident Edmund Stoiber wissen, ob denn er von Rühe über die Tiefstflüge informiert war und wenn ja, was er unternommen habe, um diese zu verhindern. Das Vorgehen der Luftwaffe bringt sie auf einen kurzen bayerischen Nenner: „Hinterfotzig.“ Bernd Siegler