"Hört auf zu investieren"

■ Bahro hält wieder Vorlesungen an der Humboldt-Uni - mit radikalen Sprüchen

Bahro is back: Seit Montag abend hält der Ökophilosoph wieder Vorlesungen an der Humboldt-Universität. Mehr als ein Jahr stand er nicht mehr vor seiner Fangemeinde. Inzwischen konnte sich Bahro aber von seiner schweren Krankheit, dem Blutkrebs, erholen.

Seine Zuhörer bereiteten ihm einen warmen Empfang. Eine Kinderpsychologin überreichte Bahros Frau Rosen. Heinrich Fink, der wegen Stasikontakten entlassene Uni-Rektor kam, um Hände von alten Bekannten zu schütteln, viele der überwiegend älteren BesucherInnen nickten sich aus der Ferne vertraut zu.

Bahro selbst, glatzköpfig, in dunkelgrünem Hemd und Sakko, erstieg das Podium und sprach in das volle Audimax: „Ich bin durch ein ziemlich tiefes Tal gegangen und froh, daß wir jetzt weitermachen wollen.“ Beherztes Klopfen. Giftige Gegner wie jene, die im November vor zwei Jahren noch Steine aufs Rednerpult geworfen hatten, erschienen nicht.

„Im Herzensgrunde bin ich noch immer Kommunist“, hatte Bahro vor einem halben Jahr gestanden. Tatsächlich versucht sich der nach Robert Havemann bekannteste DDR-Dissident immer noch als Abtrünniger: er verortet sich links, wirft der PDS vor, nur „kleinkarierte Klientelpolitik“ zu betreiben, den Grünen, sie seien eine „Systempartei“ geworden.

Bahros Stimme durchdrang den Saal auch ohne Mikrophon. Der schmächtige Mann redete aber, als befände er sich mit zwei Freunden im Café – und nicht vor 300 Leuten. Das gegenwärtige Dogma von der Schaffung von Arbeitsplätzen hält er für „eine bewußte Verdrängung“ der ökologischen Krise. Der Linken warf er vor, die Befreiung von Arbeit nicht mehr als Wert zu begreifen: „Die ganze Gesellschaft hat das Nimmersatt-Prinzip kultiviert.“ Die Unruhe des kapitalistischen Unternehmertums sei inzwischen in den inneren Kern der heutigen Generation eingedrungen. Das sei eine psychologische Katastrophe. Radikal forderte Bahro: Der Mensch müsse aufhören zu investieren. In der materiellen Welt sei der Homo sapiens an die Grenzen gestoßen. Um die globale Ökokatastrophe abzuwenden, müßte sich jeder Mensch mit der Mutter Erde verbinden und sich für sie verantwortlich fühlen.

Im Deutschland gilt Rudolf Bahro vielen immer noch als Spinner. Im Hochschulbetrieb hat der Vegetarier lange Zeit keine Heimat gefunden. Jetzt hat ihm die Humboldt-Universität eine Arbeitsstelle in der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät eingerichtet. Im Ausland findet Bahro mehr Anerkennung: Letztes Jahr hatte ihn die New Yorker Academy of Sciences zu ihrem Mitglied ernannt. Markus Grill