Fackelträger lief schon für Adolf Hitler

■ Landesportbund läßt Schlußläufer der Nazi-Olympiade die olympische Flamme entzünden. 1936 entsprach er Naziästhetik

Der „schlanke Jüngling“ habe die Fackel einem „Lichtgott“ gleich mit „göttlicher Beschwingtheit“ ins Olympiastadion getragen, schwärmte Nazi-Sportfunktionär Carl Diem über die Entzündung des olympischen Feuers im Jahr 1936. Jetzt durfte der „Lichtgott“ noch einmal die Fackel tragen: Fritz Schilgen, damals 29 und mäßig erfolgreicher Mittelstreckenläufer, entzündete am vergangenen Montag als Schlußläufer im Olympiastadion erneut das Feuer. Anlaß: das elftägige „Olympia-Festival“, mit dem der hundertste Geburtstag der Spiele der Neuzeit gefeiert wird.

Besondere Aufmerksamkeit hätten die Nazis auf ihre Auswahl gelegt, weiß der Bonner Sporthistoriker Prof. Hajo Bernett. Der spätere Fernmeldeingenieur Schilgen sei unter „arischen Gesichtspunkten“ als Idealtyp ausgewählt worden. Zwar gehörte Schilgen nicht der NSDAP oder der Wehrmacht an, doch hätten der elegante Laufstil und die ästhetischen Kriterien der Nazi-Regisseurin Leni Riefenstahl für den blonden, hochgewachsenen Schilgen den Ausschlag gegeben.

Er habe drei Fackeln verbraucht, bis Leni Riefenstahl das Kommando zum Einlauf ins Stadion unter dem Beifall Hitlers gegeben habe, berichtete Schilgen später. Zuvor war die olympische Flamme von Athen aus durch Europa getragen worden – geplant vom Nazi Diem, der zugleich Generalsekretär des Olympischen Komitees war.

In Wien und Prag machten die Nazis aus der Ankunft der olympischeen Flamme nationalsozialistische Massenveranstaltungen mit Hunderttausenden von Teilnehmern. „Dabei ist nicht der olympische Geist verbreitet, sondern der Anschluß vorweggenommen worden“, betont der emeritierte Sport- historiker Bernett. Letzte Station vor dem Olympiastadion war eine Kundgebung am Lustgarten. Propagandaminister Joseph Goebbels sprach vor 28.000 Hitlerjungen.

Für keineswegs geschmacklos hält man es beim Landesportbund Berlin, das der jetzt 89jährige Fritz Schilgen erneut als Schlußläufer das olympische Feuer entzünden durfte. Der Gedanke, damit werde eine unkritische Verbindung zur Nazi-Olympiade von 1936 hergestellt, ist für Landesportbund- Sprecher Bothe eine „ungeheuerliche Unterstellung“. „Wer das falsch verstehen will, versteht das auch falsch“, weist der Pressesprecher Kritik zurück. Damals das olympische Feuer entzündet zu haben, sei keine kompromittierende Handlung, betont Bothe, der durchaus zugesteht, daß die Spiele von den Nazis mißbraucht wurden.

Bei der Sportsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) wurde gestern eine Stellungnahme abgelehnt. Die Organisation sei Sache des Landessportbundes, erklärte Sprecher Wolfgang Zügel lediglich. Am Montag hatte Senatorin Stahmer den Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees, Walter Tröger, und „Lichtgott“ Fritz Schilgen begrüßt. Dabei durfte sie kurzzeitig auch die Flamme halten. Gerd Nowakowski