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Die Stiefkinder des Country

■ Kurt Wagner von Lambchop über Nashville, Klos und Trauer

Eine der beliebtesten Touristenattraktionen in Nashville, wenn nicht sogar die, ist die „Country Music Hall of Fame“. Zusammen mit dem angrenzenden Museum bildet sie das Heiligtum des Genres, und in die Ruhmeshalle aufgenommen zu werden, ist für einen Musiker – zumindest formal – die größte Ehre, die ihm zuteil werden kann. Soweit ist Kurt Wagner noch nicht, bislang fand seine Band Lambchop noch keine Erwähnung an diesem mythenbeladenen Ort.

Wahrscheinlich ist das dem Sänger und Songschreiber auch ziemlich egal. Aber einmal da gewesen sein, sollte man schon, weshalb Wagner den Käufern seiner neuesten CD How I Quit Smoking einen Besuch ans Herz legt. Wahrscheinlich, damit die Leute eine ungefähre Ahnung von dem bekommen, was der Mann Anfang 40 will, oder besser: nicht will – einer von diesen gelackten, angepaßten Country-Muckern werden, die in seiner Heimatstadt an jeder zweiten Ecke zu finden sind und für die die Hauptstadt Tennessees berüchtigt ist.

Ein schwieriges Unterfangen, zumal Wagner es sich nicht so einfach macht und auch nicht kann, die Traditionen so mirnichtsdirnichts hinter sich zu lassen. Nashville ist für tabula rasa mit Sicherheit der ungeeignetste Ort. Das Zehn-Personen-Kollektiv bleibt eine Country-Band, wenngleich nach eigenem Befinden „Nashvilles most fucked up“. Etwas diffiziler formuliert es die New York Times, die Lambchop mit zu den „Stiefkindern des Country“ zählt.

Gerade ohne die wahren Eltern fühlt sich Kurt Wagner besonders wohl: „Ich bin frei, zu tun, was ich will, und damit zufrieden.“ Er hat es sich ja auch hübsch eingerichtet in seiner Nische. Das zweite Album ist noch intimer und langsamer geworden als das Debüt I Hope You' re Sitting Down. Angenehm überkandidelt kitschige Geigen untermalen seinen Weg, Baß und Gitarre halten sich zurück, wenn Wagner mit sonorer Stimme erzählt. Von Amerikas Country-Star Garth Brooks („Ich bin nicht neidisch auf ihn, sondern genervt“), von verstopften Klos und was sonst noch in seinem Alltag passiert.

Als Referenz nennt Wagner immer wieder den „Nashville Sound“ der späten 50er, jene Art des Country, in dem die reduzierten Songs mit Streichern und Chören angereichert wurden. Doch auch gegen den gerne bemühten Vergleich mit den Tindersticks sperrt sich der ehemalige Kunsterzieher und Fußbodenverleger nicht; wenngleich die Ähnlichkeiten mit den schwarzgewandeten Briten eigentlich nur in den Arrangements liegen und Wagner („Ich bin ein glücklicher Typ, der traurige Songs schreibt“) deren Dandytum und Camp-Attitüde eher fremd sein müßte.

Vermutlich aus Platzgründen spielen Lambchop in der Fabrik, obwohl das Knust eigentlich der geeignetere Ort gewesen wäre. Doch zehn Leute hätten wohl nicht auf die kleine Bühne gepaßt. Andererseits wäre Wagner für diese Leistung der Platz in der „Hall“ sicher gewesen.

Clemens Gerlach

Mo., 22. April, 21 Uhr, Fabrik

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