Blutmikado im Zeichenlabyrinth

■ Der kanadische Regisseur Robert Lepage entfaltet in Confessional ein vertracktes Familiendrama

Als Pierre Lamontagne von einem dreijährigen Studienaufenthalt in China nach Quebec zurücckehrt, um seinen Vater zu beerdigen und in das alte Familienhaus zu ziehen, müssen die Geister der Vergangenheit vertrieben werden. Folglich hängt Pierre die unzähligen Familienporträts (fast alle tot inzwischen) ab und übermalt die Wände blutrot. Doch als das Blut trocken ist, scheinen die Umrisse aller Porträts hindurch und erklären den Film zu einem Familiendrama.

Später sitzt Pierre mit seinem Adoptivbruder Marc in einem Restaurant und malt ihm mit Rotwein das chinesische Zeichen für Lamontagne (das Gebirge) auf eine Serviette, dann schwenkt die Kamera auf das Spiegelbild der Brüder im Fenster hinter ihnen und dieses zeigt zusammen mit der Tischlampe eben dies Zeichen, das Marc wiederum später von dem Rotweinfleck auf die Schulter Pierres tätowieren läßt.

Von dieser Art sind die Zeichen, mit denen Robert Lepage seinen ersten Spielfilm übersät, und deren virtuose Handhabung aus seiner Theaterarbeit bestens bekannt sind. Wie der kanadische Regisseur es auf der Bühne schafft, aus kleinen Wendungen und einfachen Ideen überraschende Zusammenhänge und verflucht beeindruckende Bilder zu zaubern, die gerade nicht durch Opulenz und Erhabenheit protzen, so flicht er auch in Confessional seine feinen persönlichen Bildgeschichten in die Erzählung – und diese sind die wahren Gründe, durch die der Film sehenswert wird.

Denn die höchst vertrackt erzählte Familiensaga über die unbekannte Vaterschaft Marc Lamontagnes, der Pierre leidenschaftlich nachrecherchiert, entwickelt nur für Freunde komplizierter Familienbeziehungen eine brauchbare Spannung. Flott und häufig wechseln die Zeiten zwischen den Jahren 1952 und 1989, der spießigen Normalwelt in Quebec, in die Alfred Hitchcocks Dreharbeiten zu seinem Film I Confess die Sensation darstellt, und der zerfahrenen Gegenwart zwischen Strichermilieu und Nobelhotels, in der der sanfte Pierre die Wahrheit sucht.

Dies hier nur angedeutete Geflecht der Personen und Bezüge streckt sich über den Hitchcock-Film, die Dreharbeiten, den Drehort – eine Kirche in Quebec –, die darin beschäftigten Priester, das Beichtgeheimnis, Diabetes, uneheliche Kinder und unehelicher Sex, Unfruchtbarkeit, Homosexualität, vererbbare Depressionen und unbekannte Vergangenheiten. Nur ein kleiner Auszug, aber es wird klar, daß dies ein Mikadospiel, kein Gor-discher Knoten ist.

Zwar geht das Spiel auf, auch wenn der tragische Plot einer eher antiquiert-katholischen Moral geschuldet scheint und dadurch nicht recht plausibel wirkt, aber die Verführung des Robert Lepage besteht im Hinsehen. Wie ein Kind führt er einen durch das Labyrinth der Bildideen, was interessiert den glücklichen Gaffer da das Wortwerk?

Till Briegleb

Alabama, Zeise