Gentechindustrie sucht den Dialog

■ Manager trafen sich mit Abgeordneten des genkritischen Europaparlaments, eine Stiftung soll gegründet werden

Straßburg (taz) – Zu häufig haben die ParlamentarierInnen der Gentechindustrie in der Vergangenheit Knüppel zwischen die Beine geworfen. Und deshalb trafen sich am Dienstag abend 33 Spitzenmanager aus der „Zukunftsbranche“ in Straßburg mit rund einem Dutzend einflußreicher Abgeordneter zu einer „Diner-Debatte“.

Die Branche ist nervös. Mit großer Sorge schaut man etwa in die Schweiz, wo im kommenden Jahr ein Referendum über die Zukunft der Gentechnik entscheiden wird. Eine Initiative von Umweltverbänden stellt dreierlei zur Abstimmung: das Verbot gentechnisch manipulierter Tiere, das Verbot von Freisetzungsversuchen und das Verbot der Patentierung veränderter Pflanzen und Tiere. Trotz Standortkrise kommt die Verbotsforderung an. Umfragen sagen derzeit einen 60:40-Erfolg der Gentech-GegnerInnen voraus.

Niederlagen der Industrie gab es auch im Europäischen Parlament. Vor einem Jahr verhinderten die ParlamentarierInnen völlig überraschend eine Richtlinie über die Patentierung von biotechnischen Erfindungen. Und im vorigen Monat machten sie sich daran, die sogenannte Novel-food-Richtlinie zu verschärfen. Das Parlament will gentechnisch veränderte Lebensmittel umfassender kennzeichnen als EU-Ministerrat und Kommission.

Kein Wunder, daß die Industrie das vom ostdeutschen Abgeordneten Christof Tannert (SPD) initiierte Gesprächsangebot freudig aufgriff. Bayer, Monsanto, Schering, Ciba-Geigy – wer in der Biotechnologie Rang und Namen hat, war in Straßburg vertreten. Bezahlt wurde das viergängige Abendmahl dann auch von der „Senior Advisory Group on Biotechnology“ (SAGB), der Lobbyorganisation der Gentech-Industrie.

Thema des Dialogversuchs: Das „Informationsverhalten in der europäischen Biotechnologie“. Doch statt Klartext über die noch nicht entschiedene Lebensmittelkennzeichnung gab es Diskussionsbeiträge auf eher luftigem Niveau.

„Wir akzeptieren, daß es gesellschaftliche Bedenken gegen die Gentechnologie gibt, zum Großteil beruhen diese Bedenken jedoch auf Unkenntnis und Mißverständnissen“, erklärte etwa SAGB-Vize Peter Doyle. Die Abgeordneten appellierten im Gegenzug an die Industrie, künftig doch besser über ihre Geschäfte zu informieren. Zu einem echten Schlagabtausch kam es nicht.

Organisator Tannert fand die Veranstaltung dann auch etwas „zu glatt“. Das nächste Mal, so versprach er, würden auch Gentechniker – diesmal eingeladen, aber terminlich verhindert – mit dabei sein. Tannert will das Dialogforum zu einer Stiftung ausbauen. Sein Vorbild ist die Europäische Energiestiftung, die seit 1981 den Dialog von Energiewirtschaft und Europaparlamentariern organisiert.

Als Türöffner der Lobby ins Parlament sieht der Europaabgeordnete seine Rolle allerdings nicht. Immerhin hat er den ostdeutschen Ableger von Greenpeace mit aufgebaut. Er will sich „im Gespräch mit der Industrie für verbesserte Sicherheit und Informationspolitik einsetzen“. Christian Rath