Trockener Hauch einer Diva

■ Nessi Tausendschön für kühle Hanseaten

Bei vielen guten Comedy-Machern braucht man eine ganze Weile, um herauszufinden, was nun ernst gemeint und was witzig. Im Fall der Nessi Tausendschön läßt sich dies wohl niemals feststellen. Und das, obwohl sie schon seit Jahren eigentlich immer sehr ähnliche „Künste“ betreibt – und obwohl auch ihr Programm Jetzt doch Liebeslieder nicht ganz neu ist.

Nicht in die Tage gekommen ist Nessi selbst, die Frau mit den schönen langen Locken, die im wirklichen Leben Annette Maria Marx heißt. Denn wie immer schmettert, haucht und fiepst sie alles, wofür sich ihr Körper-Instrument eignet, mit geschmacklos-perfekter Hingabe. Blues, Schauer-Chanson, Schnulz-Schlager, Hitsingle und Schmier-Operette – überall beißt sie mit profimäßig ausgebildeter Stimme kraftvoll zu.

Viele ihrer Lieder, die sie gerade in Hamburg vorträgt – an den vergangenen zwei Tagen im Schmidt, heute und morgen in der SchlapplacHHalde –, hat sie selbst geschrieben, doch auch Imitation ist ihre Stärke. Vor allem die Bearbeitung von Susan Sarandons erster großen Kino-Rolle – ein wunderbar gejodeltes „Touch me“ inklusive des kompletten Rocky-Horror-Chors – gereicht immer wieder zur Freude. Unterstützt wird die selbsternannte Diva dabei von der Pianistin Antje Gerstmeier und – als Special Guest nur im Schmidt – von den Hamburger Stadtmusikatzen.

Bekannt ist, daß das hiesige Publikum solcherlei Darbietungen man bannig amüsant findet, dies aber meist erst zum Ende der Show zeigt. Aber auch damit geht Nessi souverän um. Nach der ersten Zugabe stellte sie sachlich fest: „Es war ja nun durchaus etwas schwierig, in einen gemeinsamen Rhythmus zu finden.“ Bei der zweiten Zugabe – dem betörend hingeschmachteten „Je t'aime“ – wackelten die klatschenden Hanseaten gar vor Vergnügen. Und weil es ihr dann doch zu nieder wurde, sang sie als – Zitat – „Zugabenkiller“ noch ein geschmackloses Chanson, woraufhin die Zuschauer sich auch brav verkrümelten.

Nele-Marie Brüdgam