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1. Mai: Revolution gleich zweimal

■ Dieses Jahr wird gleich zweimal demonstriert: in Kreuzberg und Prenzlauer Berg

Der diesjährige erste Mai wird wieder zum Ereignis für die linksradikale Szene. Allerdings zu einem recht zweideutigen. Es wird nun gleich zweimal demonstriert: Ein „revolutionäres 1.-Mai- Bündnis“, in dem auch die stalinistische RIM vertreten ist, ruft zur Demo am Oranienplatz auf, während eine buntgewürfelte „Vorbereitungsgruppe 1. Mai Rosa-Luxemburg-Platz“ zur Demo am gleichnamigen Platz mobilisiert.

Bereits 1994 hatte das eher anarchistisch orientierte autonome Spektrum sich aus der Vorbereitung verabschiedet und statt dessen den Autonomie-Kongreß vorbereitet und zu Ostern 1995 in der TU veranstaltet.

Das wiederum hatte die stalinistische RIM und andere „revolutionäre Kommunisten“ nicht daran gehindert, 1994 und 1995 ohne Demovorbereitung zur Mai- Demo aufzurufen.

Entsprechend konfliktreich war die Vorbereitung in diesem Jahr. Während das autonome Spektrum darauf bestand, stalinistische Gruppen aus der Vorbereitung auszuschließen, wollte sich die Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation, die zur Vorbereitung der diesjährigen Demo den Startschuß gegeben hatte, dieser Forderung nicht anschließen. Die Folge war, daß sich ein Großteil der Gruppen vom ursprünglichen Bündnis abspaltete.

Ein weiterer Streitpunkt war der Auftaktort für den Aufmarsch. Für den Oranienplatz votierten vor allem die RIM und ImmigrantInnenorganisationen, während die Mehrheit der Gruppen und Initiativen den Rosa-Luxemburg- Platz favorisierten.

Der Grund: Bei einer Demo durch den Prenzlauer Berg könne man sich auf die militanten Auseinandersetzungen während der letztjährigen Walpurgisnacht auf dem Kollwitzplatz beziehen.

Ein dritter Streitpunkt freilich wurde gar nicht erst diskutiert: die Vorbehalte Ostberliner Autonomer gegen die Vereinnahmung durch die Westberliner. In einem Beitrag in der Szenezeitschrift Interim heißt es, daß man in Prenzlauer Berg seit Jahren versuche, „unspektakulär, aber kontinuierlich“ Arbeit zu leisten und sich „um ein solidarisches Verhältnis zu allen“ bemühe, „die genau wie wir von diesem System benachteiligt und verarscht werden“.

Ausdruck dieser Bemühungen ist unter anderem das Prenzelberger Maifest, das dieses Jahr zum zweiten Mal am Humannplatz stattfinden wird. Die Reaktion von den Brüdern und Schwestern aus dem Westen kam postwendend: Die Autonomen vom Prenzelberg seien in der Vergangenheit Praxisbeispiele schuldig geblieben. Außerdem herrsche dort ein „Filz aus linksliberalen Initiativen und Ostalternativfetischisten“, der ein Agieren für Linksradikale beinahe unmöglich mache.

Als Beispiel wird die Initiative Walpurgisnacht angeführt, bei dem benannter Filz mit der Polizei ein Sicherheitskonzept erarbeitet hätte.

Von der Absicht der „Initiative Walpurgis 96“, mittels einer Sicherheitspartnerschaft mit der Polizei für einen geordneten und friedlichen Ablauf der in der Vergangenheit eher spontanen Walpurgisfeier zu sorgen, haben sich allerdings auch schon die Autonomen vom Prenzlauer Berg distanziert. In einem Flugblatt mit dem Titel „Ohne Bullen kein Krawall“ heißt es: „Wir haben es seit 1989 verlernt, unter Polizeiaufsicht zu feiern und wir sind nicht bereit, es wieder zu lernen.“ Falls die Polizei das Walpurgisfest angreife, heißt es unmißverständlich, „werde man sich zu wehren wissen“. Uwe Rada

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