Medienkrampf um Hanf

■ Vier verschiedene Hanf-Magazine kämpfen um die Gunst der deutschen Kiffer. Um sich zu verkaufen, wird Cannabis zum ganzheitlichen Allheilmittel verklärt

Ein Blick über ein Kioskregal reicht aus, um zu sehen, daß das Geschäft mit Fachzeitschriften blüht: Schlank und Fit, Traumhochzeit, Geliebte Mutti, Dekoratives Häkeln, Partner Hund und noch viel mehr bunte Blätter werden angeboten.

Seit vergangenem Jahr gibt es nun auch vier verschiedene Hanf- Magazine: HanfBlatt, grow!, Hemplife und Hanf!. Natürlich macht Kiffen Spaß, aber gibt das genügend Stoff her, um damit jeden Monat aufs neue die Seiten gleich mehrerer Zeitschriften zu füllen? Anscheinend schon. Dazu muß allerdings ständig die heilige Dreieinigkeit von Cannabis als Rauschmittel, als Heilpflanze, die gegen allerlei Leiden hilft, und als nachwachsendem Biorohstoff, der eine große Zukunft hat, beschworen werden. Gleichzeitig zieht sich aber der Streit um die Frage, ob der „gute“ Faserhanf gegen den „bösen“ Drogenhanf ausgespielt werden soll oder nicht, wie ein roter Faden durch die Blätter. Da kann es passieren, daß im Editorial von Hanf! die Zusammengehörigkeit der Cannabisgemeinschaft betont wird („Faserhanf und Rauchhanf kommen vom gleichen Stock und bleiben in der gleichen Tüte. Basta.“), während genau dies einige Seiten weiter bestritten wird („Ich halte die Drogendiskussion für schädlich, wir grenzen uns da ganz klar ab.“).

Mit einer Auflage von knapp 80.000 Exemplaren sei Hanf! das größte Cannabis-Magazin in ganz Europa, freut sich Hanf!-Redakteur Jörg Jenetzky. „Anders als in den USA, wo es soviel Platz gibt, daß man unbehelligt Cannabis anpflanzen kann, kommt es bei uns in Deutschland darauf an, die rechtliche Situation zu ändern“, fordert Jenetzky.

Das von dem Ärzte-Chef Bela B. mitfinanzierte grow!-Magazin hat noch eine Auflage von 60.000 Exemplaren. grow! fällt im Vergleich zu den anderen, ziemlich seriös anmutenden Hanf-Journalen aus dem Rahmen. Hier scheinen die Nachfolger der umherschweifenden Haschrebellen am Werk zu sein – „Sex & Drugs & Rock'n'Roll“ titelte die Zeitschrift im Januar. Hervorgegangen ist grow! aus der AG Hanf, einer Legalisierungsinitiative in Darmstadt. Im Mai 94 wollte die AG ein großes „Smoke-in“ veranstalten, das jedoch durch den „größten Polizeieinsatz in der Nachkriegsgeschichte Darmstadts“, so der Mitherausgeber Markus van der Kolk, vorzeitig beendet wurde. „Dabei haben wir soviel Schulden gemacht, daß wir dachten: Laßt uns doch eine Hanf- Zeitschrift machen, obwohl wir noch nicht einmal gescheit mit Computern umgehen konnten“, erinnert sich van der Kolk. grow! habe den Anspruch, authentisch über die eigene Szene zu berichten, sagt er. Das wird wohl der Grund dafür sein, daß das Heft voll ist mit banalen Interviews, die selbsternannte Experten geben, zum Beispiel über den Urlaub im Ganja- Paradies Jamaica.

Bei Hemplife (Auflage 15.000) sticht das glänzende Titelblatt und die viele bunte Werbung im Heftinneren ins Auge. Denn Hemplife hat als Ableger der holländischen Kiffer-Journaille Highlife gute Kontakte zur wachsenden Hanfbranche. „Die nächste Ausgabe soll weniger werbig werden“, versichert der stellvertretende Chefredakteur Bernhard Beier. „Es besteht ein enormer Bedarf an Vermittlung von Informationen über die vielzähligen Anwendungen von Cannabis“, beschreibt Beier das eigene Selbstverständnis.

Das zugleich kleinste (Auflage: 7.500) wie älteste deutsche Kiffer- Magazin ist das HanfBlatt, das sich sehr politisch gibt und explizit fordert: „Der Hanf braucht eine Lobby.“ Das auf teurem Hanfpapier gedruckte Magazin thematisiert aber immerhin auch die Frage, inwieweit Cannabiskonsum Psychosen verstärkt und wie in diesen Fällen therapeutisch geholfen werden kann.

Insgesamt wird beim Durchblättern der Hanf-Zeitschriften allerdings deutlich, daß trotz der Unterschiede in der Sprache, den inhaltlichen Schwerpunkten und dem Layout die heimliche Botschaft aller vier Magazine lautet: Am Hanf würde die Welt genesen! Da sich heute fast jede Subkultur als ganzheitliche Antwort auf die Probleme in der Welt versteht, fällt auch den Hanf-Freunden immer was Neues ein. Hemplife hat zum Beispiel gerade exklusiv die Wunderkraft von Hanfkäse enthüllt – er soll lebenswichtige Fettsäuren in einem für den Körper optimalen Verhältnis enthalten. Rund 50.000 korrekte Hanfprodukte soll es inzwischen schon geben.

Ein thematischer Dauerbrenner ist neben den diversen Cannabis- Anbaumethoden auch die staatliche Repression. Fragt das HanfBlatt etwa „Was tun bei einer Hausdurchsuchung?“, wird in grow! über eine peinlich penible Autodurchsuchung an der deutsch-holländischen Grenze berichtet: „Es liegt ja auf der Hand, daß bei einer solchen Visitation auch der Genitalbereich betastet wird. Betastet ja, aber nicht befummelt, oder? Auf jeden Fall war die ganze Art des Beamten, wie soll ich es nennen, zu intensiv?!“ Dadurch, daß die Hanf-Blätter ständig gegen die allmächtige Staatsgewalt wettern, entlarven sie ihren provinziellen Hintergrund. Denn während man in Berlin häufig sogar vor den Augen der Polizei kiffen kann oder im Hamburger Kiez an jeder Straßenecke Dope angeboten wird, kann man im Süden der Republik noch eine Menge Ärger bekommen, wenn man mit ein paar Gramm Hasch in den Hosentaschen erwischt wird. So ist es nur typisch, daß sich mehrere Bahnhofsbuchhandlungen im Allgäu und in Augsburg weigern, das Hanf!-Journal zu verkaufen. Ole Schulz