Jacke wie Hose

Handel mit Hanftextilien ist weiter Nischenmarkt  ■ Von Leonard B. Schilling

Die ältere Dame im Kaufhaus schüttelt den Kopf: „Warnung, diese Kappe sollten Sie nicht rauchen“, liest sie auf der hellbraunen Baseballmütze eines jungen Mannes. Warum sollte ich, wundert sie sich, und geht weiter zur Stoffabteilung. In Gedanken noch bei der unsinnigen Aufschrift, wendet sie sich einem Ballen zu, der eine auffallend ähnliche Farbe hat: „100 Prozent Hanf“, liest sie am Schild. – „Frollein, das muß doch wohl ein Irrtum sein ...?!“ Ist es nicht. Bei Karstadt etwa wird gerade die neue Kollektion geliefert, 18 Mark kostet der laufende Meter.

Die HanfHäuser brachten den Stein ins Rollen

Hanfprodukte führen aber noch immer ein Nischendasein in Kaufhäusern. Die kleineren Läden sind darüber keineswegs unglücklich. Mathias Bröckers etwa, taz-Unikum und Hanfpionier, nutzt die Zeit bis zur vollständigen Normalität, seine Ladenkette HanfHaus auszubauen. Vor drei Jahren eröffnete er seinen ersten Laden, mittlerweile gibt es bundesweit ein Dutzend mit eigenem Vertriebssystem. Dieses aber setzt den Händlern enge Grenzen, so daß manch einer bereits mit Textilien anderer Firmen liebäugelt.

Und die Zahl der Anbieter wächst. Längst etabliert hat sich die „Colour Connection“ aus Herzogenaurach. Das Sortiment kann getrost als klassisch bezeichnet werden: Kappe, Mützen, Rucksack, Tasche, Brustbeutel, Hemd, Jacke und ... natürlich: die Jeans. Die gute, unverwüstliche Hanfjeans, die schließlich die erste ihrer Art war. Denn Levi Strauss, der tapfere Schneider aus Bayern, fertigte die erste Jeans der Welt aus genau diesem Stoff. Seine extreme Reißfestigkeit hatte er als Segeltuch unter Beweis gestellt.

Daß die kleinen Läden überhaupt eine Chance haben, liegt zum einen daran, daß sich die Kunden einen gewissen Luxus gönnen wollen; schließlich sind Hanftextilien noch immer deutlich teurer als ihre in Massen produzierten Pendants aus Baumwolle oder Chemiefasern. Und am langen Samstag im Kaufhaus will dieses Luxusgefühl nicht recht aufkommen. Zum anderen ist Hanf nicht irgendein nachwachsender Rohstoff, sondern eben der, der in neckische Nähe zu illegalem Drogenkonsum gebracht werden kann. Selbst dem noch so formlos geschnittenen beigefarbenen Jackett verleiht das den Hauch der gesellschaftlichen Gegenwehr. So wollen einige Händler Hanfkultur in ihren Läden zelebriert sehen, zu deutsch: Ein Joint gehört zum Einkauf. Andere wehren sich dagegen vehement, weil sie mit ökologischer Kleidung raus aus der Kifferecke wollen. Mit der Zweideutigkeit spielt vor allem ein erst drei Jahre junges Textilunternehmen aus Königswinter bei Bonn: „THC“. Die drei Buchstaben, die sonst für den berauschenden und deswegen so umstrittenen Wirkstoff Tetrahydrocannabinol stehen, heißen in diesem Fall aber nur: „The Hanf Company“. Den Einstieg ins Geschäft schaffte das Unternehmen – wie sollte es anders sein – über die Jeans: Bei der Kölner Messe „Interjeans“ wurde im August 1994 die erste Kollektion vorgestellt. Inzwischen ist THC Marktführer, ist sich Verkaufsleiterin Andrea Moseler sicher: Beliefert werden natürlich die überall sprießenden Hanfläden, vor allem aber Geschäfte, die sich auf Naturwaren spezialisiert haben. Und ein dritter bedeutender Teil werde über den Kataloghandel vertreiben, so Moseler.

Das Lieblingsstück wird aus Hanf nachgenäht

Unbeeindruckt davon sind die Spezialgeschäfte, die nicht einmal die völlige Normalität von Hanf im Kaufhaus zu fürchten brauchen: Ruth Wilms etwa schneidert in Wuppertal unter dem Label „ÖkÖk“ individuelle Kleidung. Neben eigenen Kollektionen, die sie entwirft, fertigt sie auch, was ihr von der Kundschaft vorgelegt wird. Das Lieblingssakko zum Beispiel, längst an Ellenbogen und Kragen verschlissen, wird von ihr in Hanf nachgenäht.