Israel richtet Massaker in UN-Camp an

■ Bei den schwersten Angriffen auf Südlibanon starben über 50 Menschen. Israelischer Minister: „Schwerer Fehler“

Tel Aviv/Beirut (taz/AP) – Bei den bisher folgenschwersten israelischen Artillerie- und Luftangriffen auf den Süden Libanons starben gestern über 50 Menschen, 103 wurden verletzt. Fünf Granaten schlugen in einen UN-Stützpunkt ein, in den sich 500 Zivilisten geflüchtet hatten. In dem Dorf Kana bei Tyrus, in dem das fidschianische Bataillon der UN-Friedenstruppe ihr Hauptquartier hat, wurden mindestens 60 Menschen getötet, wie ein Augenzeuge berichtete. UN-Sprecher Timur Göksel sagte: „Das ist ein Massaker.“

Der stellvertretende israelische Verteidigungsminister Ori Orr erklärte, aus der Gegend von Kana sei mit Katjuscha-Raketen auf Nordisrael geschossen worden. Die schiitische Miliz Hisbollah benutze die Zivilbevölkerung als Schutzschilde, indem sie direkt aus Dörfern heraus ihre Raketenangriffe führe. „Wenn unschuldige Menschen getötet wurden, tut uns das sehr leid. Es handelt sich um einen sehr schweren Fehler“, fügte er hinzu. Offiziell bestätigt wurden von der UNO 43, von den libanesischen Behörden 47 Tote in Kana.

Zuvor waren bei einem Angriff israelischer Kampfflugzeuge auf ein Wohnhaus in der Ortschaft Nabatijeh Faukah elf Menschen ums Leben gekommen, darunter sieben Kinder. Aus Kana berichtete ein Augenzeuge: „Dutzende Flüchtlinge lagen in Blutlachen auf dem Boden. Überall liegen Teile menschlicher Körper.“ Alle Sanitäter der UN-Truppen seien mobilisiert worden, hieß es.

Der Angriff der israelischen Armee auf die Basis der Friedenstruppen war der bislang heftigste während der „Früchte des Zorns“ genannten Offensive, die am 11. April begonnen hat. Bis gestern waren im Südlibanon 59 Menschen unter israelischem Beschuß umgekommen und 196 verletzt worden.

Die Hisbollah feuerte gestern morgen weiter Katjuscha-Raketen auf Nordisrael. Der israelische Rundfunk meldete, dabei sei eine Autofahrerin in Kirjat Schmoneh verletzt worden.

Unterdessen regt sich in Israel Protest gegen den Krieg im Libanon. Unter dem Titel „Raus aus dem Libanon!“ erscheint heute in zahlreichen Zeitungen ein Aufruf Hunderter Israelis. Zu den Unterzeichnern gehören jüdische und arabische Intellektuelle und Akademiker. Im dem Aufruf wird der Krieg mit den früheren israelischen Angriffskriegen gegen den Libanon verglichen, vor allem mit der Operation „Frieden für Galiläa“ im Jahr 1982. Damals waren israelische Truppen bis nach Beirut marschiert. In beiden Fällen handele es sich um moralisch nicht zu rechtfertigende Aggressionen. „Die israelische Armee muß sofort aus allen Gebieten des Libanon zurückgezogen werden“, heißt es in dem Aufruf. Die israelisch besetzte „Sicherheitszone“ im Süden Libanons habe den Beschuß Nordisraels nicht verhindern können. Der Knessetabgeordnete Tamar Gozhanski (Demokratische Front) beschuldigte die Regierung von Schimon Peres, „Likud-Politik“ durchzuführen. awo