Stammtisch fördert gutes Essen

■ Jeden Monat treffen sich Küchenchefs, Restaurantbesitzer und Landwirte aus Berlin und Brandenburg: Sie diskutieren rund um das Thema ökologische Lebensmittel und vertiefen ihre Zusammenarbeit

„Der Stammtisch macht mobil – Populismus statt Politik“, titelte kürzlich der Spiegel. Doch mindestens einen Stammtisch gibt es, an dem ernsthaft auch über politische Fragen diskutiert wird: Den Ökostammtisch.

Zu dieser Kneipenrunde versammeln sich Küchenchefs, Restaurantbesitzer und Landwirte aus Berlin und Brandenburg. Seit über einem Jahr treffen sie sich jeden Monat in einer anderen Lokalität, um zunächst über ein Ökolebensmittel betreffendes Fachthema wie beispielsweise „Milch und Molkereiprodukte“ zu reden und anschließend ausgelassen miteinander zu plauschen und ihre Kontakte zu vertiefen. Dabei lassen es sich die Teilnehmer gut schmecken – denn der Gastgeber muß immer ein Menü kreieren, das zu dem anberaumten Diskussionsthema paßt. Im Sommer wechseln die geselligen Veranstaltungen zudem jeweils zwischen Restaurants in Berlin und Biobauern in Brandenburg.

Initiiert wurde der Ökostammtisch vom ehrenamtlichen Förderkreis Ökobörse, der die Beziehungen zwischen Erzeugern und Großverbrauchern von Ökolebensmitteln im Raum Berlin- Brandenburg verbessern möchte. Die Frau, die den Stammtisch jetzt organisiert, ist Ann-Marie Guignard Kessler, eine 46jährige Ernährungswissenschaftlerin. „Um alle Beteiligten regelmäßig an einen Tisch zu bekommen, ist mehr Arbeit nötig, als nur Einladungen zu verschicken. Ich muß die Leute ständig persönlich ansprechen, denn gerade die Gastronomen sind immer schwer beschäftigt“, sagt Guignard Kessler. Sie denkt ganz nüchtern und pragmatisch in betriebswirtschaftlichen Kriterien, wenn sie über die Etablierung von Ökolebensmitteln redet: „Unser Ziel ist es, zu zeigen, daß sich ökologische Erzeugnisse aus der Region gastronomisch verkaufen lassen“, sagt sie.

Die Vermarktung der Ökolebensmittel steckt allerdings noch in den Anfängen, und nur wenige Restaurants werben offensiv für ihre ökologisch korrekten Speisen. Statt dessen versuchen sie „erst einmal im stillen zu testen, wie diese Produkte ankommen“, bemängelt Guignard Kessler. So sei zum Beispiel kaum bekannt, daß das „Jolesch“ in der Muskauer Straße viele ökologisch hergestellte Weine anbietet. Solange die Preise so hoch bleiben wie bislang und sich die Lieferzuverlässigkeit der Erzeugerbetriebe nicht verbessere, werden die Gastronomen nur zögerlich auf ökologische Zutaten umsteigen, glaubt sie.

Auch die Qualität und Verarbeitung des Ökogemüses sei noch zu schwankend: „Die Küchenchefs schauen schon genau hin, ob die Möhren gewaschen, der Salat frei von kleinen Tieren ist und die Kartoffeln sortiert sind“, so Guignard Kessler. Das größte Problem sei allerdings, daß es für die Gastronomie im Gegensatz zum Handel und der Verarbeitungsbranche noch immer keine Ökorichtlinien und Siegel gebe.

Obwohl die Teilnehmer des Ökostammtisches ähnliche Interessen haben, wird auch in dieser Runde manchmal so heftig gestritten, wie es sich für einen richtigen Stammtisch gehört. Beim Themenabend zur „Belieferung von Restaurants mit ökologischem Fleisch aus Brandenburg“ kam es sogar fast zum Streit: Nachdem Jürgen Bachhuber von der Fleischerei Bachhuber aus Berlin in seinem Vortrag die besonderen Vorzüge von neuland-Fleisch betont hatte, widersprachen andere heftig. Zwar habe neuland in Sachen artgerechte Tierhaltung anerkannte Standards gesetzt und die Leistung Herrn Bachhubers bei der Markterschließung würde anerkannt, aber ökologisch einwandfrei sei das neuland-Fleisch deshalb noch lange nicht, wurde kritisiert. Denn die Tiere der neuland- Landwirte erhalten konventionelles Futter, das unter dem üblichen Einsatz von Pestiziden angebaut wird, wohingegen allein die Öko- Betriebe wie bioland schadstofffrei erzeugte Futtermittel verwenden. „Deshalb schließen auch nur die strengen Richtlinien der Anbauverbände des ökologischen Landbaus eine Infektion der Tierbestände mit der Rinderseuche BSE aus“, versichert Amos Ramsauer von der Ökobörse. Ole Schulz

Der nächste Ökostammtisch im April findet außerhalb Berlins auf dem Gut Hirschaue (in der Nähe von Beeskow) statt – mit der Besichtigung des Gutes und einer Probe des hier produzierten Wildfleisches. Thema des Stammtisches ist Ökowildfleisch.

Interessenten melden sich bitte bei Ann-Marie Guignard Kessler, Telefon (030) 2510496. Adressen von Betrieben, die im Berliner Umland Ökofleisch anbieten, sind bei der Ökobörse erhältlich. Telefon (030) 29023085.