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GastkommentarWas Berlin uns angeht

■ Henning Voscherau zum Nordstaat

„Der Bürgermeister ist doch ein intelligenter Mensch“, sagt die Pressesprecherin im Hamburger Rathaus. Zu „Bremen“ bei einer Länderneugliederung äußert sich Bürgermeister Voscherau selbstverständlich nicht. Auch nicht zu der Frage, welches in einem „Nordstaat“ die Hauptstadt sein könnte. Über Hamburgs zu enge Landesgrenzen aber gern. Intelligente Bremer LeserInnen müssen zwischen den Zeilen lesen. d.Red / Foto: Scholz

Nirgendwo sonst in Deutschland weisen Landesgrenzen so einschneidende Folgen auf wie gerade im Norden. Daher schauen wir mit Spannung - und auch mit beträchtlichen Erwartungen - auf Berlin und Brandenburg. Wenn Berliner und Brandenburger am 5. Mai für die Fusion stimmen, dann wäre es ein Aufbruchzeichen: Der Föderalismus in Deutschland ist reformfähig.

Daß er reformbedürftig ist, erleben wir in und um Hamburg täglich. 3,5 Millionen „Hamburger“ in Holstein, Nord-Niedersachsen, Harburg und Hamburg müssen seit vielen Jahren mit antiquierten Landesgrenzen zurechtkommen, die Siedlungsachsen zerschneiden und Arbeitsplätzen schaden. Interessenunterschiede und Konflikte über Nutzen- und Lastenverteilung zwischen den drei Ländern im Norden kennzeichnen unseren Alltag. Beispiel: Hamburg hält mit Universitäten, Flughafen, Kliniken und Theatern bedeutende Infrastrukturleistungen für das Umland und für die gesamte norddeutsche Region bereit – aber wir finanzieren sie weitgehend allein.

Natürlich ist Hamburg auch umgekehrt auf das Umland angewiesen - etwa bei Freizeit, Arbeitskräften und Trinkwasserversorgung, Abfallentsorgung und Verkehr. Mit Staatsverträgen und Planungsräten versuchen wir zwar, uns in all diesen Fragen notdürftig zu behelfen – aber das ist eine Krücke, mehr nicht. Nennen wir das Kind ruhig beim Namen: Wenn es darum geht, Lasten zu verteilen, ist sich jeder selbst der Nächste. Die überholten Landesgrenzen erheben das St. Floriansprinzip zur Handlungsmaxime!

Ich bin überzeugt, daß sich alle sachlichen Probleme (auch die finanzpolitischen) einer Länderneugliederung lösen lassen würden. Der dickste Brocken sind die Denkblockaden!

Berlin und Brandenburg haben die historische Chance... Ich gäb' was drum, wenn Hamburg auch so eine Chance bekäme!

Henning Voscherau, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg

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